H+ Bundeshaus 1/2025

Editorial

von Regine Sauter
Einheitliche Finanzierung

Chance zur Ambulantisierung nutzen – aber richtig!

von Anne-Geneviève Bütikofer
Lockerung des Vertragszwangs

Parlament will freie Arztwahl einschränken

von Sandra Rickenbacher-Läuchli
Spitalplanung

Notwendige Gesamtschau zu den verschiedenen Vorstössen

von Sandra Rickenbacher-Läuchli

Editorial

Die Begriffe «Gesundheitswesen» und «Kostenexplosion» scheinen heute als Synonyme verwendet zu werden. Das ist bedauerlich, da es die Leistungen unserer Institutionen herabmindert – es ist aber auch nicht sachgerecht. 

Die Schweiz verfügt über eines der weltbesten Gesundheitswesen. Subjektiv würde dies jeder bestätigen, der aus dem Ausland zurückkehrt, tatsächlich belegen dies aber auch Studien. Auch die Schweizer Spitäler und Kliniken werden oft primär als Treiber der Gesundheitskosten dargestellt, statt als Garant für die hochstehende Versorgung und als ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor.  

Es stimmt: Die Gesundheitskosten steigen in der Schweiz stetig an – von einer «Explosion», definitionsgemäss einem einmaligen Effekt, kann jedoch keine Rede sein. Der Kostenanstieg ist vielmehr durch eine konstante Leistungsausweitung erklärbar: Die Bevölkerung wächst und wird älter, der Bedarf an medizinischer Versorgung nimmt zu und der technologische Fortschritt macht Investitionen nötig – für die erstklassige und flächendeckende Gesundheitsversorgung, die die Schweiz bietet. Die Kostenentwicklung im Gesundheitssektor verläuft dabei in etwa parallel zum BIP-Wachstum. Dieses Wachstum zeigt also vor allem, dass die Versorgung auf einem stabilen Niveau bleibt.

Spitäler sind aber mehr als Leistungserbringer. Mit über 200’000 Arbeitsplätzen sind sie einer der grössten Arbeitgeber des Landes. Sie bilden dringend gesuchte Fachkräfte aus, sind Ort der Forschung sowie Kooperationspartner für Hochschulen und Industrie. Diese Leistungen stärken den Innovationsstandort Schweiz und sichern unseren Wohlstand. Zudem tragen Spitäler massgeblich zur Standortattraktivität bei: Eine verlässliche Gesundheitsinfrastruktur ist für Unternehmen und Fachkräfte ein entscheidender Faktor. Unser hoher Wohlstand und die starke Wirtschaft ermöglichen im Gegenzug wieder ein erstklassiges Gesundheitswesen.

Gleichzeitig arbeiten die Spitäler intensiv an Effizienzsteigerungen: Die Ambulantisierung wird vorangetrieben, Digitalisierungsprojekte optimieren Abläufe und Kooperationen reduzieren Doppelspurigkeiten. Um diesen Weg weiterzugehen, braucht es die richtigen Rahmenbedingungen: Mehr unternehmerische Freiheit und Möglichkeiten zu Kooperationen statt neuer administrativer Auflagen und zusätzlicher Bürokratie – und kostendeckende Tarife, die Investitionen in Infrastruktur ermöglichen. So wird es gelingen, unsere Gesundheitsinfrastruktur fit für das nächste Jahrzehnt zu machen. 

Regine  Sauter

Regine Sauter

Präsidentin, Nationalrätin

Einheitliche Finanzierung

Chance zur Ambulantisierung nutzen – aber richtig!

Vor rund sechs Monaten hat die Stimmbevölkerung Ja zur einheitlichen Finanzierung der Gesundheitsleistungen gesagt. Damit sollen sowohl die stationären als auch die ambulanten Leistungen nach demselben Verteilschlüssel finanziert werden – zu mindestens 26,9 Prozent durch die Kantone und höchstens 73,1 Prozent durch die Krankenversicherer. 

Für H+ ist die einheitliche Finanzierung eine grosse Chance, die Ambulantisierung weiter voranzutreiben. Doch die einheitliche Finanzierung allein ist keine Wunderpille für die Herausforderungen im Gesundheitswesen. Denn sie kann nur dann ihre volle Wirkung entfalten, wenn gleichzeitig die veraltete und der Teuerung nicht angepasste Tarifierung der ambulanten Medizin korrigiert wird. Bleibt die heutige Unterfinanzierung im spitalambulanten Bereich von rund 25 Prozent weiterhin bestehen, ist der Anreiz nur sehr klein, mehr Behandlungen ambulant anzubieten. Damit würde eines der Ziele der einheitlichen Finanzierung – Patientinnen und Patienten verstärkt ambulant zu behandeln – verfehlt. 

Dies gilt auch für die wichtige Genehmigung des neuen ambulanten Gesamt-Tarifsystems durch den Bundesrat. Die Einführung dieses Systems per 1. Januar 2026 ist sehr begrüssenswert – ohne eine Erhöhung der ambulanten Tarife, damit diese endlich kostendeckend sind, wird aber auch dieser Schritt die gewünschte Ambulantisierung nicht wirksam vorantreiben.  

Bei der Umsetzung der einheitlichen Finanzierung sind auch die Kantone und Versicherer in der Pflicht: sie haben dazu Sorge zu tragen, dass beispielsweise eine einheitliche Rechnungskontrolle angewendet wird, damit sich der administrative Aufwand bei den Leistungserbringern, also den Spitälern und Kliniken, auch tatsächlich vermindert. Damit dies gelingt, bringt sich H+ aktiv in Arbeitsgruppen und diversen Gremien ein und arbeitet an tragfähigen Lösungen mit.

Lockerung des Vertragszwangs

Parlament will freie Arztwahl einschränken

Ein Grundpfeiler des KVG soll gelockert werden, nämlich der Vertragszwang zwischen Krankenversicherern und Leistungserbringern. Dies verlangt eine Motion, die das Parlament überwiesen hat.

Die Krankenversicherer sollen im stationären wie auch im ambulanten Bereich nicht mehr mit jedem zugelassenen Leistungserbringer Verträge abschliessen müssen. Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat der Motion Hegglin (23.4088) zugestimmt, die eine Lockerung des Vertragszwangs im KVG verlangt. Der Bundesrat muss nun einen entsprechenden Gesetzesentwurf ausarbeiten.

Es handelt sich hier um einen weiteren Versuch, die freie Arztwahl einzuschränken und damit Qualität und Versorgungssicherheit mittels Mengen- und Kostensteuerung zu garantieren. Dies unterläuft die Versorgungsplanung der Kantone, wodurch die Rechtssicherheit verschlechtert wird. Die Versicherer könnten geneigt sein, nur noch Verträge mit besonders günstigen Leistungserbringern abzuschliessen. Das Nachsehen hätten insbesondere chronisch kranke Patientinnen und Patienten.

H+ hat sich daher kategorisch gegen die Motion ausgesprochen und wird den Umsetzungsprozess entsprechend kritisch begleiten.

H+ Rückblick auf die Frühjahrssession 2025 

Sandra  Rickenbacher-Läuchli

Sandra Rickenbacher-Läuchli

Leiterin Geschäftsbereich Politik,
Mitglied der Geschäftsleitung

Spitalplanung

Notwendige Gesamtschau zu den verschiedenen Vorstössen

Zum Thema Spitalplanung sind zahlreiche Vorstösse im Parlament eingereicht oder noch hängig. Es wäre zielführend, eine Gesamtschau über die verschiedenen Vorstösse zu erstellen. 

Die Motion «Spitalplanung durch interkantonale Spitallisten stärken» (25.3017) hat der Ständerat (Erstrat) in der Frühjahrssession mit grosser Mehrheit angenommen. Sie verlangt, dass die Kantone – neben der bestehenden Verpflichtung für die interkantonale Koordination der Spitalplanungen – künftig auch die Leistungsaufträge innerhalb von Versorgungsregionen aufeinander abstimmen und gemeinsam erteilen. Falls sie ihren Aufgaben nicht nachkommen, soll der Bund analog zu den Bestimmungen der hochspezialisierten Medizin subsidiär intervenieren können. 

H+ unterstützt diese Motion im Grundsatz, da das Potenzial der überregionalen Spitalplanung noch nicht ausgeschöpft ist. H+ spricht sich aber kategorisch gegen eine subsidiäre Kompetenz des Bundes in diesem Bereich aus.

Diese Motion ist nur einer von mehreren Vorstössen, die zum Thema Spitalplanung in den letzten Monaten im Parlament eingereicht wurden. Es wäre zielführend, eine Gesamtschau über sämtliche Vorstösse zum Thema Spitalplanung zu erstellen. Dies mit engem Einbezug der betroffenen Akteure, allen voran von H+.

H+ ist daran, eine Strategie für eine zukunftsgerichtete Spitallandschaft der Schweiz zu entwickeln und wird diese nach dem Sommer 2025 präsentieren.

H+ Rückblick auf die Frühjahrssession 2025 

Sandra  Rickenbacher-Läuchli

Sandra Rickenbacher-Läuchli

Leiterin Geschäftsbereich Politik,
Mitglied der Geschäftsleitung

Psychiatrie

Tarifierung der Kinder- und Jugendpsychiatrie verbessern

Mittels differenzierter, kostendeckender Tarife soll die Versorgungssicherheit der Kinder- und Jugendpsychiatrie gestärkt werden. Das Parlament überwies eine entsprechende Motion.

Die Tarifpartner sollen vom Bundesrat beauftragt und dazu legitimiert werden, differenzierte, kostendeckende Tarife und Preise in der Kinder- und Jugendpsychiatrie auszuhandeln und den zuständigen Behörden zur Genehmigung zu unterbreiten. Dies hat nach dem Nationalrat auch der Ständerat entschieden. Die entsprechende Motion 24.3398 der SGK-N ist damit an den Bundesrat überwiesen, der auf dieser Basis einen Umsetzungsvorschlag erarbeiten muss.

H+ begrüsst die Überweisung der Motion. Insbesondere im ambulanten, aber auch im stationären Bereich sind die aktuellen Tarife nicht kostendeckend, und es gibt beträchtliche Finanzierungslücken in den Tarifstrukturen. Differenzierte, kostendeckende Tarife sind notwendig, um auch in Zukunft eine qualitativ hochstehende psychiatrische Versorgung von Kindern und Jugendlichen zu gewährleisten, gerade auch mit Blick auf den Fachkräftemangel.

H+ Rückblick auf die Frühjahrssession 2025 

Stefan  Berger

Stefan Berger

Fachverantwortlicher Gesundheitspolitik