H+ Bundeshaus 4/2022

Editorial

von Rolf Zehnder
Teuerung

Tarife müssen angepasst werden

von Dorit Djelid
Tariforganisation

Es ist vollbracht: Die nationale Tariforganisation ist gegründet

von Anne-Geneviève Bütikofer
H+ Vorstand

Regine Sauter zur H+ Präsidentin gewählt

von Anne-Geneviève Bütikofer

Editorial

Das Spital der Zukunft soll Patientinnen und Patienten in einer zeitgemässen Infrastruktur versorgen, gute Qualität zu vernünftigen Preisen liefern und Kernelement eines integrierten Versorgungsnetzwerkes sein. Zudem sollen moderne Arbeitsbedingungen und genügend attraktive Löhne die Voraussetzungen schaffen, um Fachkräfte zu halten und neue anzuziehen. Um dort anzukommen, ist es aber noch ein weiter Weg: vielerorts müssen veraltete Infrastrukturen erneuert oder ersetzt werden.

Die Spitäler und Kliniken müssen diese Neuerungen aus eigener Kraft finanzieren. Jedoch erschweren die Unterfinanzierungen im ambulanten und stationären Bereich sowie der Fachkräftemangel und die Teuerung es, ausreichend Mittel für die Investitionen in die Zukunft zu erwirtschaften und die Arbeitsbedingungen zu verbessern.

Hinzukommt, dass das Parlament und die Behörden die Gesundheitskosten senken wollen – mit noch mehr Regulierungen und immer engeren Rahmenbedingungen. Die Effizienzsteigerungen und Anstrengungen der Spitäler, die nötigen finanziellen Ressourcen für das Spital der Zukunft zu schaffen, werden dadurch zunichte gemacht. Um den Weg hin zu einem zukunftsfähigen Spital erfolgreich begehen und gezielt Investitionen vornehmen zu können, brauchen die Spitäler und Kliniken die nötigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.

Rolf  Zehnder

Rolf Zehnder

H+ Vizepräsident, CEO thurmed AG und Spital Thurgau AG

Umsetzung Pflegeinitiative: erstes Ziel in Sichtweite

Das erste Etappenziel bei der Umsetzung der Pflegeinitiative ist erreicht, falls auch der Nationalrat in der Wintersession der Vorlage zustimmt.

Der Bundesrat hat die Umsetzung der Pflegeinitiative, d.h. des neuen Verfassungsartikels 117b «Pflege», in zwei Etappen aufgeteilt. Die erste Etappe entspricht dem vom Parlament 2021 fast einstimmig beschlossenen indirekten Gegenvorschlag. Dieser beinhaltet eine Ausbildungsoffensive in der Pflege im Umfang von einer Milliarde Franken. Angesichts des bestehenden Pflegenotstands ist die Ausbildungsoffensive als dringend einzustufen. Deshalb ist es erfreulich, dass der Ständerat die Vorlage unverändert angenommen hat. H+ ruft den Nationalrat dazu auf, der Mehrheit seiner Kommission und dem Ständerat zu folgen und die Vorlage ebenfalls ohne Veränderungen anzunehmen.

H+ hat den indirekten Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative mit Überzeugung unterstützt. Als direktbetroffener Branchenverband mit rund 90’000 Mitarbeitenden in der Pflege steht H+ seit jeher hinter dieser Kompromisslösung und unterstützt diese aktiv. Denn sie legt die Basis, um mehr Pflegefachpersonen aus- und weiterzubilden, wobei sie auch ein zentrales Anliegen der Pflegeinitiative übernommen hat, nämlich die Kompetenzerweiterung des Pflegepersonals im Abrechnungsbereich. Diese stellt nicht nur in materieller, sondern auch in ideeller Hinsicht eine Stärkung der Pflegenden dar, die in ihrer Wirkung nicht unterschätzt werden darf. Ohne Übertreibung kann von einer historischen Aufwertung des Pflegeberufes gesprochen werden. Eine aus finanziellen Gründen motivierte Streichung dieser Bestimmung müsste aus Sicht von H+ als herber und, angesichts der aktuellen Situation, auch als unverständlicher Rückschlag gewertet werden.

Teuerung

Tarife müssen angepasst werden

Die Teuerung trifft die Spitäler und Kliniken stark. Sie können ihre steigenden Kosten nicht decken, da die ambulanten und stationären Tarife einerseits seit Jahren zu tief und andererseits nicht prospektiv inflations-indexiert sind. H+ fordert deshalb Politik und Versicherer dazu auf, alle Tarife dringend um rund 5 Prozent zu erhöhen sowie diese zukünftig prospektiv inflations-indexiert festzulegen.

Laut einer H+ Umfrage im Oktober 2022 rechnen die Spitäler und Kliniken aufgrund der Teuerung mit markanten Kostensteigerungen: Bei der Energie zwischen 10 und 50 Prozent, teilweise sogar bis 300 und mehr Prozent, bei den Materialien zwischen 2 und 20 Prozent, und bei den Lebensmittel- sowie Baukosten 3 bis 15 Prozent. Die Spitäler und Kliniken müssen die höheren Kosten über die Tarife der Spitalleistungen finanzieren, andere Möglichkeiten gibt es nicht. Jedoch ist es nicht möglich, für die Spitalleistungen einfach die Tarife zu erhöhen, da diese mit den Versicherern ausgehandelt und von den zuständigen Behörden genehmigt werden müssen.

Inflations-indexierte Tarife als erster Schritt
H+ fordert deshalb von der Politik und den Versicherern, dringend alle ambulanten und stationären Tarife linear um rund 5 Prozent zu erhöhen. Die Tarife sind einerseits seit Jahren grundsätzlich zu tief – der spitalambulante Bereich ist rund 30 Prozent unterfinanziert und der stationäre Bereich rund 10 Prozent – und andererseits nicht prospektiv inflations-indexiert, das heisst, sie werden nicht automatisch an veränderte Marktsituationen angepasst. Das muss sich ändern.

Zukünftig die Marktsituation mit prospektiv inflations-indexierten Tarifen zu berücksichtigen wäre ein erstes positives Signal, auch wenn damit die chronische Unterfinanzierung der Spitäler und Kliniken nicht gelöst wird. Dafür braucht es dringlich weitere Tariferhöhungen und die Diskussion über ein nachhaltiges Finanzierungssystem, wenn die Schweiz den heutigen Versorgungsstandard sicherstellen will. Ansonsten können die Spitäler und Kliniken die Patientinnen und Patienten nicht ausreichend versorgen. Die Folgen sind lange Wartezeiten auf den Notfallstationen, Verschiebung von Operationen und Qualitätseinbussen bei medizinischen und pflegerischen Leistungen.

Angespannte Personalsituation ebenfalls relevant
Der Fachkräftemangel in der Spital- und Klinikbranche sorgt für einen zusätzlichen Kostenschub. Gesundheitspersonal mithilfe von attraktiven Bedingungen zu halten und anzuwerben kostet die Spitäler und Kliniken Geld. Praktisch alle Institutionen bekunden Mühe, genügend Gesundheitspersonal zu finden. Offene Stellen können nur mit grossen Anstrengungen besetzt werden, teilweise nur durch temporäres Personal, was zusätzliche Kosten bedeutet. Personalausfälle wegen Krankheit müssen kompensiert werden, was den Druck auf die verbleibenden Mitarbeitenden erhöht und zu weiteren Ausfällen führt.

Die Mehrheit der befragten H+ Mitglieder geht davon aus, dass 2023 die Löhne der Ärzteschaft aufgrund der allgemeinen Teuerung und des Fachkräftemangels steigen. Auch für die Pflege gehen praktisch alle Mitglieder aufgrund des Fachkräftemangels von höheren Lohnkosten aus, mehrheitlich im Rahmen von 2 bis 5 Prozent. Die Kosten steigen auch aufgrund der teuren Personalbeschaffung sowie der Anstellung von Temporär-Mitarbeitenden.

Es ist dringend nötig, die Löhne aller Fachkräfte in den Spitälern und Kliniken an die Teuerung anzupassen und unabhängig davon die Arbeitsbedingungen zu verbessern, wie es beispielsweise die Pflegeinitiative fordert. Aber nur mit höheren Tarifen für die ambulanten und stationären Leistungen haben die Spitäler und Kliniken die finanziellen Mittel, dies zu tun.

Dorit  Djelid

Dorit Djelid

Leiterin Geschäftsbereich Kommunikation, Stv. Direktorin, Mitglied der Geschäftsleitung

EFAS

Die Zeit ist reif. Überreif.

EFAS, die einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen, ist längst fällig. Der Ständerat möge sich ein Herz fassen und der Vorlage zustimmen.

Die Zeit der Silos ist vorbei. Integration ist angesagt. Unterschiedliche Finanzierungsregimes je nach Versorgungsbereich sind obsolet geworden. Mit EFAS wird die Zukunft eingeläutet und ein längst erkannter und schwerwiegender Systemfehler korrigiert. In diesem Sinn begrüsst H+ grundsätzlich die Ausdehnung von EFAS auf die Pflege, wie dies die ständerätliche Gesundheitskommission (SGK-S) vorgeschlagen hat.

Aktuell wird mit verschiedenen Vorlagen versucht, die Kosten in einem System zu dämpfen, das aufgrund von Fehlanreizen fast zwangsläufig zu Kostenwachstum führen muss. Besser ist es, die Fehlanreize an der Wurzel zu packen und zu beseitigen. Mit der Ausweitung auf die (Langzeit-)Pflege wird EFAS eine noch grössere Wirkung entfalten. Allerdings muss diese Erweiterung gestaffelt erfolgen. Voraussetzung dafür ist, dass im Bereich der Langzeitpflege möglichst rasch eine umfassende Transparenz der OKP-pflichtigen Kosten geschaffen wird.

Weg frei für eine echte Integrierte Versorgung
EFAS in Kombination mit dem neuen Tarifsystem, das aus ambulanten Pauschalen und TARDOC zusammengesetzt werden soll, ermöglicht nicht nur eine Angleichung der Finanzierungs- sondern auch der Tarifierungsregimes des ambulanten und stationären Sektors. Damit wird der Weg frei für effiziente und qualitativ hochstehende Behandlungsprozesse über die Sektorengrenzen hinweg.

Wie alle Mitglieder der EFAS-Allianz wertet auch H+ den zügigen Abschluss der Debatte nach langer Auseinandersetzung in der SGK-S als positiv. Ziel ist es jetzt, diesen Schwung in die kleine Kammer und in die anschliessende Differenzbereinigung der Räte mitzunehmen und EFAS zeitnah und praktikabel zu verabschieden und danach umzusetzen. Damit eine der umfassendsten und wichtigsten Reformen endlich realisiert wird.

Tariforganisation

Es ist vollbracht: Die nationale Tariforganisation ist gegründet

Am 15. November 2022 haben die Tarifpartner H+, FMH, santésuisse, curafutura und MTK die Organisation für ambulante Arzttarife, die OAAT AG, gegründet.

Der Gründung der Organisation ambulante Arzttarife AG (OAAT) ist ein längeres Seilziehen zwischen den involvierten Parteien vorausgegangen. Unter der umsichtigen Leitung des Berner Gesundheitsdirektors Pierre Alain Schnegg gelang aber schliesslich der Durchbruch. Entscheidend waren eine Zauberformel für die Sitzverteilung im Verwaltungsrat der OAAT sowie Zusatzvereinbarungen über die gegenseitige Anerkennung der ambulanten Pauschalen und des TARDOC.

Die Gründung der OAAT ist ein gutes Zeichen für die oft schon totgesagte Tarifautonomie. Jetzt müssen die Tarifpartner aber beweisen, dass sie das aus ambulanten Pauschalen und TARDOC zusammengefügte Tarifsystem auch tatsächlich zustande bringen. Der Bundesrat erwartet idealerweise eine gemeinsame Einreichung der beiden finalisierten Tarifstrukturen bis Ende 2023. Eine besondere Herausforderung wird darin bestehen, die ambulanten Pauschalen und TARDOC aufeinander abzustimmen bzw. zu koordinieren. H+ ist zuversichtlich, dass dies gelingen wird. Ein vom Bundesrat gesetzter Anreiz dürfte dabei helfen: Wenn beide Tarifstrukturen gleichzeitig eingereicht und genehmigt werden, entfällt die Phase der dynamischen Kostenneutralität. Wer will da nicht alles daransetzen, dieses Ziel zu erreichen?

H+ Vorstand

Regine Sauter zur H+ Präsidentin gewählt

Die Mitglieder von H+ haben an ihrer Generalversammlung Nationalrätin Regine Sauter zur Präsidentin des Verbands gewählt. Sie wird Nachfolgerin von Isabelle Moret, die Ende Juni 2022 aufgrund ihrer Wahl in den Waadtländer Staatsrat zurückgetreten ist.

An der H+ Generalversammlung am 3. November 2022 haben die Mitglieder von H+ die Nationalrätin Regine Sauter einstimmig zur neuen Präsidentin gewählt, sie tritt das Amt per 1. Januar 2023 an. Mit ihr hat H+ eine würdige Nachfolgerin von Isabelle Moret gefunden.

Regine Sauter ist seit 2015 Nationalrätin (FDP, Zürich) und ist Mitglied der nationalrätlichen Kommission für Soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK-N). Regine Sauter betonte in ihrer Antrittsrede vor den H+ Mitgliedern: «Unser Verband soll die massgebende Stimme sein, wenn es darum geht, die Rahmenbedingungen der Spital-, Klinik- und Pflegelandschaft der Schweiz für die nächsten Jahrzehnte zu definieren. Er hat die Kompetenz und auch die Legitimation dazu.»

Neben dem Präsidium sind im H+ Vorstand zwei Vertretungen neu besetzt worden: Uwe E. Jocham, Direktionspräsident Insel Gruppe, ist als Vertreter der Gruppierung Universitätsspitäler, welcher er als Präsident vorsteht, in den H+ Vorstand gewählt worden. Daniel Schibler, Direktor Asana Spital Menziken, ist neu Vertreter der Gruppierung Verbände im H+ Vorstand.