Editorial

Das Parlament hat mit der letzten Revision des KVG einen richtungsweisenden Entscheid in Bezug auf die Vergütung ambulant erbrachter medizinischer Leistungen gefällt. Diese sollen in Zukunft, wo möglich, mit einer Pauschale abgegolten werden.

Ambulante Pauschalen haben zahlreiche Vorteile. Gleiche Leistungen werden so immer gleich bewertet. Zudem eliminieren Pauschalen Fehlanreize, die der heutige Einzelleistungstarif mit sich bringt: Bei der Anwendung von ambulanten Pauschalen wird nicht mehr jede einzelne Leistung erfasst, vielmehr sind alle Behandlungen, aber auch Material und Medikamente in einer Pauschale zusammengefasst und werden entsprechend vergütet. Letztlich ermöglichen Pauschalen den Versicherern auch eine effiziente Kontrolle und Bezahlung der Leistungen, womit administrative Prozesse auf beiden Seiten stark verschlankt und damit effizienter werden.

Die Aufgabe, ein neues Tarifwerk mit entsprechenden Pauschalen zu erstellen, liegt bei den Tarifpartnern. Eine erste Version liegt heute vor. Sie wurde breit konsultiert und entsprechende Rückmeldungen sind bereits eingearbeitet. Ebenso wurden Verbesserungsvorschläge des Bundesamtes für Gesundheit umgesetzt und integriert. Damit ist ein wichtiger Meilenstein erreicht. In Kombination mit dem Einzelleistungstarif TARDOC können die Tarifpartner einen kohärenten Arzttarif für die Zukunft etablieren.

Ziel ist es, dass alle Tarifpartner gemeinsam das neue Tarifwerk bis Ende Jahr dem Bundesrat zur Genehmigung einreichen. Wir sind überzeugt, damit einen wesentlichen Beitrag für eine effiziente Erbringung ambulanter Medizin zu leisten. Mit den ambulanten Pauschalen wird sich die Erfolgsgeschichte von SwissDRG aus dem stationären Bereich auch im ambulanten Sektor fortsetzen.

Regine  Sauter

Regine Sauter

Präsidentin, Nationalrätin

EFAS

EFAS: H+ ruft zu gutschweizerischem Kompromiss auf

EFAS ist auf der Zielgeraden. Die EFAS-Allianz ruft das Parlament dazu auf, die Vorlage in der Herbstsession zu verabschieden.    

Das Projekt EFAS (Einheitliche Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen, Pa.Iv. 09:528) ist zentral für das Schweizer Gesundheitswesen. Es eliminiert schwerwiegende Fehlanreize bei der Finanzierung der medizinischen Leistungen. Darin sind sich H+ und die zahlreichen anderen Mitglieder der EFAS-Allianz einig. Doch wie steht es mit der Integration der Pflege?

Eine im März 2023 publizierte Studie von Polynomics im Auftrag des BAG erkennt bei einer Umsetzung von EFAS inklusive Pflege ein Sparpotenzial von jährlich 438 Millionen Franken, gegenüber bis zu 312 Millionen ohne Pflege. Santésuisse widerspricht dieser Schätzung. Kurzfristig führe EFAS mit Integration der Pflege zwar zu einem kostenreduzierenden Effekt, welcher sich mittel- bis langfristig aber wieder aufhebe, meint santésuisse. Für H+ sind diese Prognosen, die naturgemäss auf unsicheren Annahmen und unterschiedlichen Szenarien beruhen, nicht entscheidend, sondern die Überzeugung, dass EFAS eine längst fällige Systemkorrektur darstellt. Damit der Durchbruch gelingt, ist aber die Integration der Pflege unabdingbar. Sie ist Teil eines mehrheitsfähigen Kompromisses mit den Kantonen, ohne den EFAS nicht gelingen kann. Für die Integration der Pflege müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.    

Kostentransparenz und gestaffelte Umsetzung
Die notwendige, im Vergleich zu heute verbesserte Kostentransparenz bei den OKP-pflichtigen Pflegeleistungen kann innerhalb von rund fünf Jahren geschaffen werden. Daher fordert H+ den Nationalrat dazu auf, dem Beschluss des Ständerates zu folgen und eine gestaffelte Umsetzung des Einbezugs der Pflege mit einem verbindlich definierten Fahrplan und einer angemessenen Frist zu beschliessen. Hingegen fordert H+, die vom Ständerat eingefügte Bedingung einer vollständigen Umsetzung der Pflegeinitiative zu streichen, um die Einführung von EFAS nicht auf die lange Bank zu schieben.

Notwendige Grundlagen erarbeiten
In der Spitalfinanzierung sind die Voraussetzungen hinsichtlich Transparenz bereits erfüllt. Die Instrumente REKOLE und ITAR_K werden als Bestandteile der H+ Branchenlösung im Rechnungswesen und Controlling schon lange verwendet und weiterentwickelt. Sie könnten auch bei der Pflegefinanzierung zur Anwendung kommen und würden die gesetzlichen Voraussetzungen lückenlos erfüllen. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat die Zweckmässigkeit der H+ Branchenlösung anerkannt.

Was die betriebswirtschaftlichen Instrumente im ambulanten Pflegebereich betrifft, sind gemäss Verband Spitex Schweiz die Voraussetzungen geschaffen, damit die Kostenrechnung auch dort in der erforderlichen Transparenz durchgeführt werden kann.

Kostendämpfung

Indirekter Gegenvorschlag zur Kostenbremse-Initiative – ein Kommentar zum Abschluss

Noch sind wenige Differenzen zu bereinigen. Doch am Zustandekommen des indirekten Gegenvorschlags zur Kostenbremse-Initiative ist nicht zu zweifeln. Zeit für eine allgemeine Beurteilung.

Der indirekte Gegenvorschlag zur Kostenbremse-Initiative 21.067 befindet sich auf der Zielgeraden. Die wenigen noch verbleibenden Differenzen werden in der Herbstsession bereinigt werden. Diesbezüglich bestehen kaum Zweifel, auch wenn mit der Annahme von Art. 49 Abs. 2bis nKVG der Bundesrat eine unverhältnismässige Kompetenz für Eingriffe in stationäre Tarife erhalten könnte. Doch das wird in der angeheizten Prämiendiskussion kaum noch auffallen.

Schauen wir lieber aufs Ganze: Was bleibt von einer Vorlage übrig, die mit verbindlichen Kostenzielen und Kostenblöcken einen Systemwechsel in Richtung zentralistischer Planung herbeiführen wollte? Man könnte vielleicht sagen: zu wenig, um noch eine echte Gefahr für die Versorgungssicherheit zu sein – aber immer noch zu viel, um wirklich aufatmen zu können. So dürfte die Umsetzung nicht absehbare Bürokratie-Schübe zur Folge haben. Wichtiger aber: Die Vorlage ist ein Lehrstück dafür, dass die Steuerung des Gesundheitswesens über ein Sozialversicherungsgesetz letztlich zum Scheitern verurteilt ist.

Finanzkommissionen einbeziehen

Wer befiehlt, der bezahlt: Bitte auch im Gesundheitswesen

Von der Annahme eines finanzpolitischen Vorstosses, den der Nationalrat in der Herbstsession beraten wird, verspricht sich die Spitalbranche die Einhaltung eines oft vernachlässigten Grundsatzes: Wer befiehlt, der bezahlt.

Mit der Parlamentarischen Initiative 22.483 will die Finanzkommission des Nationalrates sicherstellen, dass die Finanzkommissionen auch bei Erlassentwürfen und allenfalls bei Vorstössen von Sachbereichskommissionen einbezogen werden. Dies soll bei Vorlagen mit erheblichen finanziellen Auswirkungen geschehen. Begründet wird diese Forderung damit, dass die eidgenössischen Räte in den vergangenen Monaten Beschlüsse gefasst haben, die zu hohen, nicht finanzierten Mehrausgaben und somit zu strukturellen Defiziten führen.

Beitrag zu einer nachhaltigen Finanzierung
H+ begrüsst die parlamentarische Initiative; auch und insbesondere aus gesundheitspolitischer Sicht. Zahlreiche gesundheitspolitische Vorstösse sind mit neuen Aufgaben und Auflagen für die Leistungserbringer verbunden, insbesondere für die Spitäler und Kliniken. In den meisten Fällen ist jedoch keine ausreichende Finanzierung vorgesehen. Somit bleibt den Spitälern nichts anderes übrig, als die neuen Aufgaben aus eigenen Mitteln zu finanzieren. Bei den unterfinanzierten Tarifen der OKP-versicherten Leistungen gestaltet sich die Aufgabe, die Erträge zu steigern und damit die neuen, vom Parlament gewollten Aufgaben zu finanzieren, als äusserst schwierig – wenn nicht sogar als unmöglich. Unter diesen Umständen wird eine nachhaltige Finanzierung des Gesundheitswesens zunehmend infrage gestellt.

H+ würde es begrüssen, wenn die Finanzkommissionen auch bei gesundheitspolitischen Vorlagen kritisch prüfen würden, ob diese finanziell tragbar sind und ob sie das Prinzip der Fiskaläquivalenz einhalten, nach dem Grundsatz «Wer befiehlt, der bezahlt». Es kann nicht sein, dass das Infrastrukturprojekt «Elektronisches Patientendossier», die Ausbildung von Gesundheitsfachleuten in den Spitälern, die Entwicklung von Qualitätsprojekten und die Umsetzung des Datenschutzes – um nur einige wichtige Beispiele zu nennen – alle indirekt über die ohnehin schon unzureichenden OKP-Tarife finanziert werden müssen. Die vorliegende parlamentarische Initiative scheint geeignet, das Prinzip der Fiskaläquivalenz auch im Gesundheitswesen zu stärken. Deshalb empfiehlt H+ die Annahme der Pa.Iv. 22.483.

Dolmetsch-Kosten

Einheitliche Vergütungspflicht von Dolmetsch-Kosten

Dolmetsch-Leistungen sind wichtig für eine kosteneffiziente und qualitativ hochstehende Gesundheitsversorgung und müssen Bestandteil der Leistungserbringung und somit von anrechenbaren Kosten sein.

Die Durchführung von erfolgreich verlaufenden medizinischen Behandlungen und Untersuchungen setzt eine adäquate Verständigung zwischen dem Gesundheitspersonal und den Patientinnen und Patienten voraus. Bei gewissen Personengruppen erfordert dies den Beizug professioneller Dolmetschender. Gehörlose Personen sind auf ein Dolmetschen in Gebärdensprache und fremdsprachige Personen auf interkulturelles Dolmetschen angewiesen.

Dolmetsch-Leistungen sind eine wesentliche Bedingung für eine kosteneffiziente und qualitativ hochstehende Gesundheitsversorgung. Darum müssen sie Bestandteil der Leistungserbringung und somit der anrechenbaren Kosten sein. Verständigungsschwierigkeiten können zu einer Über- oder Unterversorgung führen und Kosten generieren, welche die direkten Aufwände für Dolmetsch-Leistungen übersteigen. Schon heute ziehen Spitäler und Kliniken wo nötig Dolmetschende hinzu, um Patientinnen und Patienten gut zu versorgen. Die Abgeltung dieser Kosten ist jedoch ungenügend und nicht einheitlich geregelt.

Der Ständerat ist aufgefordert, die Motion 23.3673 als Erstrat anzunehmen, mit welcher der Bundesrat beauftragt werden soll, eine gesetzliche Grundlage für eine national einheitliche Vergütungspflicht von Dolmetsch-Kosten bei Gesundheitsdienstleistungen zu schaffen und die Grundsätze für die Kostenübernahme festzulegen.