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- Nr. 2/2025 − August
H+ Bundeshaus 2/2025
Editorial
von Regine SauterAmbulantes Gesamt-Tarifsystem: Wichtige Aktualisierungen schon per 2026 beschlossen
von Anne-Geneviève BütikoferEditorial
Mit der Genehmigung des neuen ambulanten Gesamt-Tarifsystems hat der Bundesrat einen zukunftsweisenden Entscheid gefällt: Der Weg ist damit frei, den veralteten TARMED nach über 20 Jahren endlich abzulösen und ein entwicklungsfähiges Tarifsystem auch im ambulanten Bereich einzuführen. Befremdlich ist hingegen, dass der Bundesrat diese Genehmigung mit einer Kostenwachstumsgrenze von vier Prozent pro Jahr verbindet. Diese Obergrenze würde auch dann greifen, wenn die Kosten durch sinnvolle – und politisch geforderte – Verlagerungen vom stationären in den ambulanten Bereich bedingt sind.
Zwei Fakten gilt es dabei im Hinterkopf zu behalten: Zum einen sind die ambulanten Tarife weiterhin nicht annähernd kostendeckend. Zum anderen werden in der Schweiz noch immer viel zu wenige Behandlungen ambulant durchgeführt. Wenn also die Spitäler verstärkt ambulant behandeln sollen, müssen die ambulanten Tarife deutlich erhöht werden – sonst verschärft sich die dramatische finanzielle Lage der Spitäler weiter. Dieser notwendigen Tarifanpassung schiebt der Bundesrat einen Riegel vor, in dem er de facto ein Globalbudget einführt.
Der Kostendeckel ist aber auch mit Blick auf kürzliche Volksabstimmungen kritisch zu sehen. Die Stimmbevölkerung hat im vergangenen Jahr zwei richtungsweisende Entscheide in der Gesundheitspolitik gefällt: Mit dem deutlichen Nein zur Kostenbremse-Initiative hat sie sich gegen ein Globalbudget ausgesprochen. Und mit dem Ja zur einheitlichen Finanzierung hat sie den Weg der Ambulantisierung befürwortet.
Genau dieser Weg wird durch die nun geforderte Kostenwachstumsgrenze aber ausgebremst. Damit sendet der Bundesrat ein kontraproduktives Signal für die Weiterentwicklung hin zu einem effizienten, ambulant orientierten Gesundheitssystem. Mit meiner Interpellation zu diesem Thema möchte ich Antworten erhalten, wie der Bundesrat diese Widersprüche aufzulösen gedenkt. Denn es ist klar: Es muss uns gelingen, die Ambulantisierung in der Schweiz rasch voranzutreiben. Nicht nur als Beitrag zur Dämpfung des Wachstums der Gesundheitskosten, sondern gerade auch mit Blick auf den sich abzeichnenden Mangel an Pflegefachkräften.

Regine Sauter
Präsidentin, Nationalrätin
Ambulantes Gesamt-Tarifsystem: Wichtige Aktualisierungen schon per 2026 beschlossen
Erste Anpassungen am neuen ambulanten Gesamt-Tarifsystem sichern faire Vergütungen – etwa bei Notfällen und Tumorbehandlungen – und stärken die Versorgung.
Noch bevor das neue ambulante Gesamt-Tarifsystem am 1. Januar 2026 eingeführt wird, haben sich die Tarifpartner bereits auf erste Aktualisierungen geeinigt. Auch H+ steht hinter diesen Anpassungen. Die Tarifpartner haben die Chance genutzt, wichtige Aktualisierungen frühzeitig umzusetzen. Denn das neue Tarifsystem bietet zwar viele Vorteile, ist jedoch naturgemäss noch nicht in allen Bereichen ausgereift.
Bessere Vergütungen bei Notfällen und Tumorbehandlungen
Für Spitäler und Kliniken besonders relevant sind die Anpassungen bei Notfall- und Tumorbehandlungen:
- Notfallbehandlungen: Im neuen Tarifsystem TARDOC unterscheidet sich die Tariflogik grundlegend von jener des bisherigen TARMED. Ohne Anpassung wäre die Vergütung von Notfallleistungen deutlich reduziert worden. Dank der Korrektur bleibt die Entschädigung in diesem für die Versorgung so wichtigen Bereich auf angemessenem Niveau.
- Tumorbehandlungen: Bei Tumorbehandlungen werden häufig Chemotherapien und Bestrahlungen am selben Tag kombiniert. Die Anpassung verhindert, dass Chemotherapien pauschal in die Bestrahlungsleistungen eingerechnet werden. So bleibt die Vergütung beider Leistungsarten transparent und sachgerecht.
Obwohl diese Anpassungen im Detail klein erscheinen, haben sie erhebliche finanzielle Auswirkungen für Spitäler und Kliniken. Sie tragen dazu bei, die Versorgung der Patient:innen sicherzustellen und verhindern, dass Kliniken weiter in finanzielle Schieflage geraten.
Neue Regelung für Pathologie und nichtärztliche Tätigkeiten
Auch die Vergütung der pathologischen Leistungen haben die Tarifpartner intensiv diskutiert. Ab 2026 werden diese Leistungen einheitlich abgerechnet. Ab 2027 können sie dann, basierend auf verfügbaren Daten, in die Pauschalen integriert werden. Damit ist dieser Streitpunkt frühzeitig gelöst. Zudem wurde die Vergütung nichtärztlicher Tätigkeiten angepasst – ein wichtiger Schritt, da das nichtärztliche Personal im ambulanten Bereich eine zentrale Rolle einnimmt.
Laufende Aktualisierungen nötig
Der grosse Fortschritt des neuen Tarifsystems ist, dass es sich um ein lernendes System handelt – es ist also nicht von Beginn an fehlerfrei und wird sich stetig verbessern. H+ hat stets betont, dass insbesondere technologische und medizinische Entwicklungen laufend abgebildet werden müssen. Nur so lassen sich Fehler des alten Systems vermeiden und eine moderne, effiziente ambulante Versorgung sicherstellen. Dabei spielen die Pauschalen eine zentrale Rolle, da sie anhand der realen Daten eine automatische Korrektur möglicher Fehler ermöglichen.

Direktorin
Kostenübernahme für Dolmetschleistungen einheitlich regeln
Die eidgenössischen Räte haben eine Motion überwiesen und somit den Bundesrat beauftragt, einheitliche Kriterien zur Kostenübernahme von Gebärdensprachdolmetschleistungen für gehörlose Personen im Gesundheitswesen zu schaffen. H+ fordert, dass der Bundesrat bei der Umsetzung auch die interkulturelle Dolmetschung für Fremdsprachige berücksichtigt.
Dolmetschleistungen sind wichtig für eine kosteneffiziente und qualitativ hochstehende Gesundheitsversorgung und müssen Bestandteil der Leistungserbringung und somit von anrechenbaren Kosten sein. Zu diesem Schluss ist nun auch eine Mehrheit im Parlament gekommen. Die entsprechende Motion 25.3013 der SGK-S wurde in der vergangenen Sommersession an den Bundesrat überwiesen.
Kosten aufgrund von Verständigungsproblemen vermeiden
Die Durchführung von erfolgreich verlaufenden medizinischen Behandlungen und Untersuchungen setzt eine adäquate Verständigung zwischen dem Gesundheitspersonal und den Patient:innen voraus. Verständigungsschwierigkeiten können dazu führen, dass Patient:innen nicht adäquat versorgt werden. Dadurch können Kosten entstehen, die den direkten Aufwand für Dolmetschleistungen übersteigen. Schon heute ziehen Spitäler wo nötig Dolmetschende hinzu, um Patient:innen gut zu versorgen. Die Abgeltung dieser Kosten ist jedoch ungenügend und nicht einheitlich geregelt. Deshalb braucht es eine gesetzliche Grundlage für eine schweizweit einheitliche Vergütungspflicht.
Gruppe der Fremdsprachigen in Motion nicht berücksichtigt
Bei gewissen Personengruppen ist der Beizug professioneller Dolmetschender zwingend. Gehörlose Personen sind auf Gebärdensprachdolmetschung angewiesen und fremdsprachige Personen auf interkulturelles Dolmetschen. Leider hat aber der Auftrag des Parlaments nur die gehörlosen Personen im Fokus. Bei der Umsetzung der Motion soll aus Sicht von H+ auch die Gruppe der Fremdsprachigen berücksichtigt werden.

Fachverantwortlicher Gesundheitspolitik