H+ Bundeshaus 1/2024

Editorial

von Regine Sauter
Digitale Transformation

DigiSanté: Vielversprechendes Programm – mit Risiken

von Anne-Geneviève Bütikofer
Dolmetsch-Kosten

Dolmetsch-Kosten müssen KVG-pflichtig werden

von Stefan Berger

Editorial

Das Gesundheitswesen der Schweiz gehört zu den besten der Welt – dazu tragen gerade die Spitäler und Kliniken einen wichtigen Teil bei. Unsere exzellente medizinische Versorgung ist ein kostbares Gut, das es zu bewahren und weiterzuentwickeln gilt. Als wesentlicher Pfeiler dieses Systems tragen die Spitäler eine grosse Verantwortung, der sie sich bewusst sind und der sie nachkommen, etwa in der Aus- und Weiterbildung von dringend gesuchtem Fachpersonal. Auch mit der Erarbeitung des neuen einheitlichen ambulanten Tarifsystems haben die Spitäler und Kliniken einen wichtigen Beitrag geleistet, damit die Ambulantisierung weiter vorangetrieben werden kann.

Um die Fortführung und Weiterentwicklung der hohen Standards im Spitalwesen zu ermöglichen, braucht es die richtigen Rahmenbedingungen und Offenheit gegenüber sich wandelnden Bedürfnissen und Entwicklungen. Neue Versorgungsmodelle sind nötig, aber auch die Sicherstellung einer adäquaten Finanzierung, die die Spitäler und Kliniken auch in die Lage versetzt, nachhaltig und innovativ zu arbeiten. 

Die Spitäler und Kliniken sind bereit, ihren Teil zu einem zeitgemässen Gesundheitswesen beizutragen und innovative Lösungen zu entwickeln. Es ist jedoch unerlässlich, dass die Politik diese Bemühungen unterstützt, indem sie den nötigen Handlungsspielraum für Innovationen und Investitionen schafft. Dafür muss in der gesundheitspolitischen Diskussion der Fokus neu gerichtet werden: Weg von der ausschliesslichen Fixierung auf Kosten und Sparpotenzial, hin zur Frage der Gewährleistung der Qualität und der Effektivität unseres Gesundheitswesens. Denn nur so kann unser Gesundheitswesen auch in den nächsten Jahren eines der weltbesten bleiben. 

Regine  Sauter

Regine Sauter

Präsidentin, Nationalrätin

Digitale Transformation

DigiSanté: Vielversprechendes Programm – mit Risiken

Die Schweiz hat ein hervorragendes Gesundheitssystem, das aber mangels zeitgemässer Digitalisierung an seine Grenzen stösst. Dies hat die COVID-Krise eindrücklich vor Augen geführt. DigiSanté soll nun Abhilfe leisten.  

Mit einem Verpflichtungskredit von rund 400 Millionen Franken will der Bundesrat das Programm «DigiSanté» zur Förderung der digitalen Transformation im Gesundheitswesen finanzieren. Damit soll der Rückstand, den die Schweiz im internationalen Vergleich aufweist, aufgeholt werden. Die SGK-N ist am 19. Januar 2024 auf die «DigiSanté»-Vorlage eingetreten.

DigiSanté will mit der Definition und Durchsetzung von standardisierten Datenstrukturen und -inhalten die Voraussetzung für interoperable Systeme schaffen. Spitäler und Arztpraxen verfügen schon längst über digitale Informationssysteme, doch ein nahtloses Zusammenwirken dieser Systeme ist oft nicht möglich. Mit der Anwendung von semantischen und technischen Standards soll die Interoperabilität der Systeme nun erreicht werden.

H+ fordert verbindliche Vorgaben
Damit DigiSanté einen echten Nutzen stiftet, müssen diese Standards von allen Akteuren mit verbindlichen Vorgaben durchgesetzt werden. Das ist eine zentrale Forderung von H+. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Projekt SpiGes im Bereich der spitalstationären Gesundheitsversorgung. Dieses wurde vom BFS lanciert und ist Teil von DigiSanté. Bei SpiGes beruhen die Datenflüsse auf Datenstandards. Dabei wird das Once-Only-Prinzip realisiert. Entsprechend schafft SpiGes rasch einen Nutzen für alle Beteiligten und ist ein Vorbild für die rund 50 anderen Projekte im Programm DigiSanté. 

Ausreichende Finanzierung ist unabdingbar
DigiSanté birgt aber auch Risiken. So löst DigiSanté unabsehbare Folgekosten für die Leistungserbringer aus, die bisher nicht einmal ansatzweise berücksichtigt wurden. Vor dem Hintergrund der aktuellen Finanzierungskrise im Gesundheitswesen sind seitens der Leistungserbringer immer weniger Investitionen in die Digitalisierung möglich, zumal diese in den Tarifen nicht abgedeckt sind. In dieser Hinsicht ist der vom Bundesrat beantragte Verpflichtungskredit viel zu tief angesetzt und die Finanzierung der Projekte muss im Voraus geregelt werden.    

Elektronisches Patientendossier

Neuer Schwung für das elektronische Patientendossier

Die Teilrevision des EPD-Gesetzes sieht eine Übergangsfinanzierung der Stammgemeinschaften vor. Der Nationalrat ist auf die Vorlage eingetreten und will auch die Integration von Leistungserbringern fördern.   

Bis zum Inkrafttreten der umfassenden Revision des Bundesgesetzes über das elektronische Patientendossier (EPDG) dürften rund fünf Jahre vergehen. Der Bundesrat schlägt vor, diesen Zeitraum mittels einer Übergangsfinanzierung der Stammgemeinschaften zu überbrücken. Der Bund soll pro eröffnetes EPD einen Betrag von 30 Franken an die Stammgemeinschaft sprechen können unter der Voraussetzung, dass sich die Kantone in gleichem Umfang beteiligen.

Der Nationalrat ist in der Wintersession 2023 mit grosser Mehrheit auf die Vorlage eingetreten. Ausschlaggebend war dabei die Position der Finanzkommission, die sich klar für Eintreten ausgesprochen hatte. Kommissionssprecher Peter Schillinger (FDP, LU): «Die Kommission ist einhellig der Meinung, dass es notwendig ist, dem beantragten Zahlungsrahmen von 30 Millionen Franken zuzustimmen, um die Eröffnung von einer Million neuer EPD finanziell zu unterstützen». Es sei wichtig, die Interoperabilität der Systeme der Stammgemeinschaften sicherzustellen.

Sinnvoller konstruktiver Ansatz
In Workshops, die vom BAG und von der GDK seit Mai 2023 organisiert werden, können sich EPD-Verantwortliche der Spitäler und Kliniken einbringen und konkrete Verbesserungsmöglichkeiten des EPD-Systems besprechen. H+ begrüsst diesen konstruktiven Ansatz, der neben der laufenden Teilrevision und der geplanten Gesamtrevision des EPDG wesentlich zur Nutzbarmachung des EPD beitragen wird.   

Finanzierung als Zünglein an der Waage
Letztlich wird es aber entscheidend sein, die Finanzierungsfrage dauerhaft zu lösen. Ein Infrastrukturprojekt dieser Dimension können die Spitäler angesichts der bestehenden Unterfinanzierung nicht vollständig aus eigener Kraft stemmen. H+ begrüsst deshalb, dass der Nationalrat auch Finanzhilfen beschlossen hat, um bestehende Dossiers besser zu nutzen und insbesondere um die Leistungserbringer zu integrieren. Es ist zu hoffen, dass der Ständerat ihm folgen wird und danach auch die Kantone ihre Verantwortung wahrnehmen.   

Qualität

Qualitätsvertrag bereit für die Genehmigung

H+, santésuisse und curafutura haben am 20. Dezember 2023 den gemeinsam überarbeiteten Qualitätsvertrag nach Art. 58a KVG für Spitäler und Kliniken beim Bundesrat eingereicht. Der Genehmigung steht nun nichts mehr im Weg.

Bereits im Mai 2022 haben H+, santésuisse und curafutura einen Qualitätsvertrag nach Art. 58a KVG beim Bundesrat eingereicht, der in Partnerschaft mit der Medizinaltarif-Kommission UVG (MTK) ausgearbeitet wurde. Der Vertrag wurde in den vergangenen Monaten gemäss den Rückmeldungen des BAG überarbeitet und ist nun für die Genehmigung bereit.

Gemeinsamer Meilenstein 
Nach einer langjährigen und guten Zusammenarbeit haben die Verbände der Leistungserbringer und der Krankenversicherer einen gesamtschweizerischen Vertrag über die Qualitätsentwicklung abgeschlossen. Damit haben sie die Vorgaben von Art. 58a KVG erfüllt. 

Die Vertragspartner haben den Qualitätsvertrag entlang der Handlungsfelder der Vierjahresziele des Bundesrats zur Qualitätsentwicklung strukturiert: Governance, Qualitätskultur, Patientensicherheit, evidenzbasierte Entscheidungsfindung sowie Patientenzentriertheit.

Im Bereich Governance müssen die Spitäler und Kliniken ein angemessenes Qualitätsmanagementsystem unterhalten. In den weiteren vier Handlungsfeldern müssen alle Spitäler und Kliniken anerkannte Qualitätsverbesserungsmassnahmen einführen und umsetzen. Ein zentrales Element ist die kontinuierliche Verbesserung und Überprüfung dieser Prozesse.

Es darf mit Spannung erwartet werden, wie sich die anderen Leistungserbringerverbände ihrer Aufgabe entledigen werden. Möge der Qualitätsvertrag von H+, santésuisse und curafutura als gutes Vorbild dienen.   

Martina  Greiter

Martina Greiter

Redaktorin Competence deutsche Schweiz, Fachverantwortliche Spital- und Klinik-Barometer

Dolmetsch-Kosten

Dolmetsch-Kosten müssen KVG-pflichtig werden

Um eine gute Verständigung zwischen Patient:innen und Ärzt:innen sicherzustellen, müssen Dolmetsch-Kosten national einheitlich vergütet werden. H+ unterstützt deshalb die Motion Müller (23.3673).

Schon heute ziehen Spitäler und Kliniken wo nötig Dolmetschende hinzu, um Patientinnen und Patienten gut zu versorgen. Die Abgeltung dieser Kosten ist jedoch ungenügend und uneinheitlich geregelt. Deshalb braucht es eine Grundlage im KVG für eine Vergütungspflicht.

Die sichere und erfolgreiche Durchführung von medizinischen Untersuchungen und Behandlungen setzt eine adäquate Verständigung zwischen dem Gesundheitspersonal und den Patientinnen und Patienten voraus. Bei gewissen Personengruppen erfordert dies den Beizug professioneller Dolmetschender. Denn Verständigungsschwierigkeiten können zu einer Über- oder Unterversorgung führen und Kosten generieren, welche die direkten Aufwände für das Dolmetschen übersteigen. 

Um eine kosteneffiziente und qualitativ hochstehende Gesundheitsversorgung zu garantieren, sind Dolmetsch-Leistungen als integralen Bestandteil der Leistungserbringung anzuerkennen. Der Nationalrat ist daher gut beraten, dem Ständerat zu folgen und – entgegen dem Antrag seiner eigenen vorberatenden Kommission – die Motion Müller (23.3673) ebenfalls anzunehmen.

Stefan  Berger

Stefan Berger

a.i. Leiter Geschäftsbereich Politik
Mitglied der Geschäftsleitung