Editorial

Die Spitäler und Kliniken stehen unter grossem Druck. So haben sie nicht nur mit Personalengpässen zu kämpfen, da das nötige Fachpersonal auf dem Arbeitsmarkt fehlt oder frühzeitig aus dem Beruf aussteigt, sondern seit einigen Monaten auch mit einem grossen Ansturm auf die Notfallstationen. Gross sind auch die Herausforderungen, die sich durch die Teuerung und steigende Kosten ergeben.

Diese komplexe Gesamtsituation hängt eng mit der Finanzierung der Spitäler und Kliniken zusammen. So sehen sich die Betriebe im ambulanten Bereich mit einer Unterfinanzierung von 30 Prozent konfrontiert. Aber auch im stationären Bereich sieht es nicht besser aus. Auch dort können die Spitäler und Kliniken ihre Kosten nicht vollständig über die Erlöse decken. Die Tarife sind reguliert und nicht an die Teuerung angepasst.

In diesem Kontext sind Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, z.B. mithilfe von neuen Arbeitsmodellen, nur mit mehr finanziellen Ressourcen machbar. Nur so wird es möglich sein, Fachkräfte in der Branche zu halten.

Wir als Parlamentarierinnen und Parlamentarier sind aufgefordert, die Gesetze so auszugestalten, dass Spitäler und Kliniken nicht mit noch mehr administrativem Aufwand konfrontiert werden. Das Personal muss entlastet werden, beispielsweise durch die Möglichkeiten der Digitalisierung, mit dem Ziel, dass die Ressourcen von Pflegenden und Ärzteschaft wieder vermehrt den Patientinnen und Patienten zu Gute kommen. Zudem müssen wir in neuen, integrierten Modellen denken, in welchen die verschiedenen Leistungserbringer in überregionalen Versorgungsnetzwerken zusammenwirken, wobei die Spitäler die Zentren bilden können.

Regine  Sauter

Regine Sauter

Präsidentin, Nationalrätin

Keine Regulierung auf Vorrat

Der indirekte Gegenvorschlag zur Kostenbremse-Initiative geht in die entscheidende Runde. Der Ständerat ist aufgerufen, die Vorlage mit Augenmass zu beraten.

Die Kostenbremse-Initiative der Mitte dürfte bei vielen Haushalten, die mit dem Prämienschock und der Inflation zu kämpfen haben, auf Zustimmung stossen. Die Initiative greift aber zu kurz, weil mit einer Koppelung der Gesundheitskosten an die Entwicklung von Wirtschaft und Löhnen der tatsächliche medizinische Bedarf nicht mehr das Richtmass wäre. Das sieht auch der Bundesrat so. Leider greift auch er mit seinem indirekten Gegenvorschlag daneben. Seine Vorlage würde die Gesundheitslandschaft in eine zentrale Planwirtschaft umwandeln und zusätzlich fragmentieren. Der indirekte Gegenvorschlag des Nationalrats ist im Verhältnis dazu ausgewogener. Klar abzulehnen sind aber Elemente, die erst nach der Vernehmlassung gewissermassen durch die Hintertür den Weg in die Vorlage gefunden haben.

So will der Bundesrat sein Interventions-Arsenal in Tarifstrukturen und Tarifverträge stark ausweiten, als müsste er sich auf einen Katastrophenfall vorbereiten. Für eine derartige Regulierung auf Vorrat besteht jedoch keine Veranlassung. Gerade eben haben sich alle Tarifpartner auf das weitere gemeinsame Vorgehen bei den ambulanten Tarifen geeinigt. Die SwissDRG AG, die seit ihrer Gründung jedes Jahr anstandslos genehmigungsfähige Tarifstrukturen liefert, braucht erst recht keine zusätzliche Regulierung. Der Ständerat ist deshalb aufgerufen, seiner SGK-SR folgend, Art. 46a und Art. 49 Abs. 2bis KVG zu streichen. H+ vertraut auf das Augenmass der «Chambre de réflexion».

Teuerung

Mit Tariferhöhung Versorgungssicherheit und Arbeitsfrieden wahren

H+ fordert eine prospektive Anpassung der OKP-Tarife an die Teuerung und die Lohnentwicklung, um die Versorgungssicherheit und den Arbeitsfrieden zu wahren.

Die Teuerung trifft die Spitäler und Kliniken stark. Im Gegensatz zu Unternehmen, die im freien Markt agieren, können Spitäler ihre Preise nicht von sich aus anpassen – die Tarifpartner handeln diese untereinander aus.
H+ fordert daher, dass die OKP-Tarife prospektiv an die Teuerung und die Lohnentwicklung angepasst werden. Denn: Weder das KVG noch die Tarifverträge sehen automatische Anpassungen der Tarife, d. h. der Baserates und der Taxpunktwerte (TPW), vor. Das hat damit zu tun, dass die Schweiz seit langem von Inflationsphasen verschont geblieben ist. Um in der aktuellen Situation rasch und unbürokratisch zu handeln, hat H+ Vertreter:innen der Einkaufsgemeinschaften, der GDK und des BAG zu einem runden Tisch eingeladen.

Tarife um fünf Prozent anpassen
Konkret fordert H+ für seine Mitglieder eine prospektive Anpassung der OKP-Tarife um fünf Prozent. Darin enthalten sind die Teuerung und die Lohnerhöhungen 2022 und 2023. Aktuell kann davon ausgegangen werden, dass die Kostenentwicklung auch 2023 die Spitäler stark belasten wird. Dies ist auf zum Teil massiv erhöhte Energiepreise zurückzuführen, aber auch und in besonderem Masse auf Lohnerhöhungen, die bereits 2022 verhandelt oder, bei öffentlichen Unternehmen, festgelegt wurden.  

Zentrale Forderung in schwierigem Umfeld
Die Forderung von H+ bekommt im Kontext von chronisch zu niedrigen Tarifen im ambulanten und stationären Bereich eine besondere Bedeutung. Die Kombination von defizitärem Leistungsangebot aufgrund von zu tiefen oder gar sinkenden Tarifen, wie z.B. bei den Labortarifen, sowie Inflation und Lohnforderungen würde ohne substanzielle Korrekturen rasch zu einem toxischen Mix für die Spitäler und Kliniken werden. In der Folge würden die Versorgungssicherheit und der Arbeitsfrieden unter Druck geraten. Einer solchen Entwicklung gilt es vorzubeugen.

Pflegeinitiative

Umsetzung geht nur mit mehr finanziellen Mitteln

Um den Fachkräftemangel zu lindern, ist es wichtig, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und mehr Ausbildungsplätze zu schaffen. Beides geht aber nur mit mehr finanziellen Mitteln.

Der Fachkräftemangel ist akut und wird sich weiter zuspitzen, wenn keine Trendwende vollzogen wird. Wegen des fehlenden Fachpersonals sind lange Wartezeiten in den Notfällen und geschlossene Betten bereits heute Realität. Um mehr diplomiertes Pflegepersonal zu gewinnen respektive zu halten, sind intensive Ausbildungsaktivitäten sowie verbesserte Arbeitsbedingungen zentrale Anliegen der Spital- und Klinikbranche. Davon hängt auch eine qualitativ hochstehende Patientenversorgung ab.

Die Massnahmen, die Bund und Kantone im Rahmen der Pflegeinitiative zur Umsetzung der Ausbildungsoffensive und zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen bisher erarbeitet haben, gehen aus Sicht von H+ in die richtige Richtung. Die teilweise dringlichen Massnahmen sind aber nur umsetzbar, wenn dafür entsprechende finanzielle Mittel gesprochen werden und die Detailplanung in enger Zusammenarbeit mit den Leistungserbringern und ihren Verbänden erfolgt.

Mit der Ausbildungsoffensive als erste Etappe ist ein wichtiger Meilenstein der Pflegeinitiative bereits erreicht worden. Sie entspricht haargenau dem indirekten Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative, dem das Parlament bereits 2021 zugestimmt hat. Nach dessen Bestätigung durch das Parlament in der Wintersession 2022 liegt der Ball für die Umsetzung der Ausbildungsoffensive nun bei den Kantonen. H+ fordert, dass Gesundheitseinrichtungen wie Spitäler, Kliniken, Heime und Spitex, angemessen unterstützt werden, ihre Ausbildungsaktivitäten zu erhöhen.

Denn nachdem die Ausbildungsleistungen für die diplomierten Pflegenden HF und FH von 2015 bis 2021 bereits um rund ein Viertel  erhöht werden konnten, muss nun sichergestellt werden, dass die Abteilungen nicht mit Ausbildungsaufgaben überlastet werden, dass genügend Ausbildungspersonal vorhanden ist und die Studierenden ausreichend begleitet werden. Dies ist auch eine Frage der Versorgungsqualität.  

Zweite Etappe: Einbezug der Leistungserbringer zwingend
Die Umsetzung der zweiten Etappe steht noch am Anfang. Der Bundesrat hat die Vernehmlassung zum neuen Bundesgesetz über anforderungsgerechte Arbeitsbedingungen in der Pflege und zur Revision des Gesundheitsberufegesetzes ab Ende April 2024 geplant. Entsprechend vage sind die ersten Vorschläge, die das BAG, das SECO und das Bundesamt für Justiz (BJ) in einem Gesetzesentwurf im Detail ausarbeiten wollen.

Aus Sicht von H+ ist es zwingend, die Leistungserbringer und ihre Verbände in die konkrete Planung einzubeziehen. Dies betrifft insbesondere Vorschläge wie die Verlängerung der Ankündigungsfrist für die Dienstpläne, die Lohnzuschläge für kurzfristige Arbeitseinsätze und die Verpflichtung, Empfehlungen zum optimalen Skill-Grade-Mix zu erarbeiten. Noch völlig unklar ist, wie die Leistungserbringer an einem runden Tisch Anpassungen an die Finanzierungssysteme definieren sollen.

H+ weist mit Nachdruck darauf hin, dass die angekündigten Massnahmen nur umsetzbar sind, wenn entsprechende finanzielle Mittel gesprochen werden. Mit den aktuellen Tarifen sind die Massnahmen nicht umsetzbar. Die Spitäler und Kliniken sehen sich bereits heute mit einer Unterfinanzierung im ambulanten Bereich von 30 Prozent und im stationären Bereich von 10 Prozent konfrontiert. Höhere Zulagen, flexiblere Arbeitszeiten oder ein verpflichtender Gesamtarbeitsvertrag (GAV) sind nur mit mehr Personal und somit mehr finanziellen Mitteln umsetzbar. Erfolgreiche Lohnverhandlungen, sei es innerhalb oder ausserhalb von GAV-Verhandlungen, können Spitäler und Kliniken mit ihrem heute stark eingeschränkten finanziellen Handlungsspielraum kaum in Aussicht stellen. 

Ines  Trede

Ines Trede

Leiterin Bildung

Versorgung

Medizinprodukte aussereuropäischer Regulierungssysteme zulassen

Der Bundesrat muss aus Sicht von H+ die Gesetzgebung so anpassen, dass in der Schweiz auch Medizinprodukte aussereuropäischer Regulierungssysteme zugelassen werden können.

Bis heute akzeptiert die Schweiz ausschliesslich Medizinprodukte gemäss dem Zulassungssystem der Europäischen Union (EU). Bei der Umsetzung der EU-Medizinprodukteverordnung (MDR) hapert es jedoch und es ist gut möglich, dass sie erst in einigen Jahren europaweit praxistauglich  sein wird.

Regulierungen sollten aber mit der technologischen Entwicklung Schritt halten. Gerade für zukunftsweisende Technologien gibt es Regulierungen mit schnelleren Zulassungsverfahren als die MDR. Viele Schweizer Start-ups und KMU setzen deshalb vermehrt auf eine andere Erstzulassung, beispielsweise jene der USA. Dies führt zur aktuell unhaltbaren Situation, dass ausländische Bevölkerungen Zugang zu innovativen Schweizer Produkten haben, welche den Schweizerinnen und Schweizern vorenthalten bleiben.

Die Schweiz ist aufgrund ihrer Grösse und ihrer Ressourcen weder in der Lage, sich mit allen benötigten Medizinprodukten selbst zu versorgen, noch diese selbst zu prüfen und zuzulassen. Die Schweiz sollte deshalb aus Sicht von H+ nicht warten, bis sich die Patientenversorgung verschlechtert, sondern ihren Handlungsspielraum auf die Beschaffung von Medizinprodukten aussereuropäischer Regulierungssysteme ausweiten. Dafür sind jetzt die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, um damit für die betroffenen Industrie- und Handelspartner Investitionssicherheit zu schaffen.

Aus diesen Gründen unterstützt H+ die Motion 20.3370 Albert Rösti, so wie H+ bereits die Motion 20.3211 Damian Müller und die Position des Schweizer Medizintechnikverbandes (Swiss Medtech) vom 14. April und vom 3. Mai 2022 unterstützt hat.

Tarifpartnerschaft

Tariffrieden auch im stationären Bereich

Eine weitere Blockade, dieses Mal bei den stationären Tarifen, konnte gelöst werden. Die Tarifpartnerschaft, oft totgesagt, lebt doch.

Die Gründung der Organisation für ambulante Tarife (OAAT AG) am 15. November 2022 hat Schlagzeilen gemacht. Zurecht, denn erstmals seit langem sitzen alle Tarifpartner an einem Tisch vereint, um das ambulante Tarifsystem der Zukunft gemeinsam zu erarbeiten.

Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, aber genauso wichtig, haben bei den stationären Tarifen ebenfalls alle Tarifpartner eine Einigung erzielt. Dadurch konnten der Krankenkassenverband curafutura und die Unfallversicherer, durch die Medizinaltarifekommission MTK vertreten, in die SwissDRG AG integriert werden. Bisher waren die Krankenversicherer einzig durch santésuisse vertreten.

Mit der Einigung wurde auch die Verteilung der Aktien zwischen H+ und der FMH mit je 50 Prozent Aktienanteilen neu und für beide Seiten zufriedenstellend geregelt. Damit endet eine weitere Blockade im Tarifbereich.

Der Durchbruch gelang wie im ambulanten Bereich mit der Anwendung einer «Zauberformel» bei der Verteilung der Aktien und Sitze im Verwaltungsrat. Die GDK ist wie bisher Aktionärin der SwissDRG AG, während sie dies bei der OAAT AG erst mit der Einführung von EFAS werden wird.

H+ freut sich, auch hier zu einer guten Lösung im Tarifbereich beigetragen zu haben. Die beiden Tariforganisationen bilden ambulant und stationär die Grundlage für eine zukunftsfähige Tarifpartnerschaft.

Medikamente

Engpässe: Zu tiefe Preise mitverantwortlich

Trotz hohem Preisniveau von Medikamenten sind zu tiefe Preise mitverantwortliche Faktoren für die aktuellen Lieferengpässe.

Es ist genauso wenig zielführend zu sagen, dass die Anhebung der Arzneimittelpreise alle Probleme löst, wie zu sagen, dass eine Preisanhebung als Massnahme nichts taugt. Eine differenzierte Betrachtung ist dringend notwendig. Denn: Noch viel gravierender als Lieferengpässe ist der Umstand, dass wir Medikamente ganz aus dem Markt verlieren und mit viel teureren Alternativen ersetzen müssen.

Wir haben die Versorgung zu lange aus einer reinen Kostenoptik betrachtet und uns an der unpräzisen Leitlinie der «Lebensnotwendigkeit» orientiert. Dass das nichts hilft, zeigt die aktuelle Versorgungslage deutlich. Es fehlt die Führung: Der Bund gibt die Verantwortung den Kantonen, weil diese gemäss Verfassung für die Gesundheitsversorgung zuständig sind. Die Kantone können nichts tun, weil der Bund die Rahmenbedingungen setzt und eigentlich das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) zuständig ist. Das BWL wiederum sagt, dass primär die Wirtschaft zuständig sei und ihre Zuständigkeit sich an der Lebensnotwendigkeit und der Krisenlage orientieren müsse. Und das BAG wartet darauf, dass Firmen Preiserhöhungsgesuche stellen, was sie selten tun. Es ist einfacher das Präparat vom Markt zurückzuziehen. Und die Krankenkassen haben gar keinen Versorgungsauftrag.

Alle bewegen sich in den von Verfassung und Gesetz vorgegebenen Schranken. Es gibt in der englischen Sprache den Begriff der «Accountability», der im Gegensatz zur französischen und deutschen Sprache nicht nur die Verantwortung einbezieht, für das, was man tut, sondern auch für die Konsequenzen, die daraus entstehen. Die Konsequenzen für die fehlende Führung im Bereich der Medikamentenversorgung tragen allein die Patientinnen und Patienten und mit ihnen die Leistungserbringer. Es ist höchste Zeit, die Accountability klar zu regeln.

Dr. pharm. Enea Martinelli
Chefapotheker Spitäler fmi AG