Zwischenbilanz: Keine Triage-Entscheidungen auf Intensivstationen
Im März haben die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) und die Schweizerische Gesellschaft für Intensivmedizin (SGI) Richtlinien für Triage-Entscheidungen auf Intensivstationen im Zusammenhang mit COVID-19 veröffentlicht. Glücklicherweise hat sich die Situation in der Schweiz bisher nicht derart zugespitzt, dass die Richtlinien zur Anwendung kamen. Dennoch werden diese, auch in der Öffentlichkeit, intensiv diskutiert.
Am 20. März haben die SAMW und die SGI Richtlinien für Triage-Entscheidungen auf Intensivstationen veröffentlicht. Dies, weil wegen des Coronavirus ein Massenzustrom von Patientinnen und Patienten zu erwarten war (siehe eFlash vom 23. März 2020). Die befürchteten Engpässe konnten in den Schweizer Spitälern bisher dank Massnahmen wie dem Verbot von Wahleingriffen einerseits und den Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens andererseits vermieden werden.
Die Triage-Richtlinien werden seit Veröffentlichung breit diskutiert und haben zu zahlreichen Rückmeldungen geführt. Grundsätzlich wurden sie als rasche und konkrete Hilfestellung begrüsst. Kritischen Stimmen – je nach Betroffenheit der Absender mit sehr unterschiedlichen Änderungswünschen – gab es aber auch, schreibt die SAMW.
Aufarbeitung der Covid-19-Pandemie
Auf Grund der aktuellen Situation sind die SAMW und die SGI zum Schluss gekommen, dass ein zeitnahes Update der Triage-Richtlinien nicht erforderlich ist. Vielmehr müssen im Rahmen einer umfassenden Aufarbeitung der Covid-19-Pandemie die eingegangenen Rückmeldungen sorgfältig geprüft werden, um zu entscheiden, inwiefern die Richtlinien angepasst werden bzw. ob sie in Kraft bleiben.
Diskriminierung der Älteren?
Obwohl die Richtlinien ausdrücklich festhalten, dass das Alter per se kein Triagekriterium ist, wurde die SAMW öffentlich mit dem Vorwurf der «Altersdiskriminierung» konfrontiert. Die Richtlinien sind für Fachpersonen und nicht für medizinische Laien bestimmt, dennoch scheint eine Klärung dieser Frage sinnvoll. Bei den hochaltrigen Patienten zeigen die Daten nicht nur in Bezug auf Covid-19, sondern für intensivmedizinische Indikationen generell, eine schlechtere Überlebenschance. Dies schliesst aber nicht aus, dass es ältere Patienten gibt, die gesünder sind als jüngere und im Fall einer nötigen Triage bevorzugt behandelt würden. Gestützt auf die Richtlinien würde nie allein aufgrund eines Kriteriums bei einem Patienten entschieden; der Entscheid muss immer in Relation stehen zur Prognoseeinschätzung der anderen Patienten, die auf eine intensivmedizinische Behandlung angewiesen sind. Die Liste der Kriterien ist lang und von einer «Altersdiskriminierung» kann keine Rede sein, so die SAMW.
Die Debatte breit führen
Die Richtlinien sind eine Hilfestellung für medizinische Fachkräfte und können nie absolut gelten. Triage-Entscheidungen müssen immer situativ gefällt werden. Wie herausfordernd diese Entscheidungen sein können, veranschaulichen fiktive Beispiele im Fragebogen von ethix. Diese Online-Umfrage soll dazu beitragen, die ethische Debatte breit zu führen. Die SAMW motiviert dazu, den Fragebogen auszufüllen.