Lineare Kürzung der Labortarife: Finanzierung eines rechtlichen Vorgehens dagegen

Der Bundesrat hat am 9. Juni 2022 entschieden, die Tarife für Laboranalysen ab dem 1. August 2022 um zehn Prozent zu senken. Diese lineare Senkung soll zu Einsparungen von jährlich rund 140 Millionen Franken führen, vor allem zu Lasten der Spitäler und Kliniken. H+ beurteilt diese Kürzung der Labortarife als eindeutig KVG-widrig. Der Verband sucht Mitglieder, welche die Finanzierung eines rechtlichen Vorgehens unterstützen.

Der einzige Weg, den Entscheid des Bundesrates zur Kürzung der Labortarife anzufechten, ist mit einer inzidenten Normenkontrolle. Der Vorstand von H+ und eine klare Mehrheit der konsultierten Mitglieder der H+ Verbandskonferenz unterstützen ein solches rechtliches Vorgehen. Zur Finanzierung der Anwalts- und Verfahrenskosten ist eine Unterstützungsgruppe gebildet worden, an der sich Spitäler und Kliniken mit einem Betrag von 2500 Franken beteiligen können. Wir laden Sie als H+ Mitglied ein, sich dieser Unterstützungsgruppe anzuschliessen. Zudem empfehlen wir Ihnen, einen Vorbehalt auf den ambulanten Rechnungen anzubringen.

Nachfolgend finden Sie Erläuterungen zu den einzelnen Punkten.

Rechtliche Beurteilung
Nach Einschätzung von H+ ist der Eingriff des Bundesrates in die Analysenliste in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig:

  • Die Kürzungen sind nicht sachgerecht, betriebswirtschaftlich nicht abgestützt und damit weitgehend willkürlich.
  • Die Kürzungen beruhen auf unzulässigen, weil methodisch fragwürdigen Auslandspreisvergleichen des Preisüberwachers und von santésuisse.
  • Die Ungleichbehandlung von Praxislabor und Spitallaboratorium verletzt das Gebot der Rechtsgleichheit.
  • Das Vorgehen ist unverhältnismässig, da in der Sache weder Not noch Dringlichkeit zu erkennen ist.

H+ hat, gestützt auf das Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (Öffentlichkeitsgesetz, BGÖ), das Bundesamt für Gesundheit (BAG) um Edition aller im Zusammenhang mit dem Erlass des revidierten Anhang 3 der KVV relevanten Dokumente gebeten. Mit diesem Vorgehen will H+ seine rechtliche Argumentation absichern. Auf Basis der vom BAG erhaltenen Dokumente ergaben sich keine Hinweise, wonach die Senkung der Labortarife sachgerecht und betriebswirtschaftlich bemessen worden wäre, so wie es das Gesetz erfordern würde. Es ist davon auszugehen, dass die Dokumentation vollständig ist und keine Beanstandungen an den Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) notwendig sind.

Inzidente Normenkontrolle
Eine mit Herrn Rechtsanwalt M. Waldner und seinem Team von der Anwaltskanzlei VISCHER aus Zürich durchgeführte rechtliche Prüfung ergab, dass die aufgrund einer Änderung der KVV erfolgte Kürzung des Labortarifs einzig auf dem Weg einer inzidenten Normenkontrolle angefochten werden kann. Eine inzidente Normenkontrolle, umgangssprachlich auch als «Musterprozess» bezeichnet, kommt zustande, wenn ein konkreter Anwendungsfall der Verordnungsänderung zu einer rechtlichen Prüfung des Erlasses durch ein Schiedsgericht oder, bei Weiterzug, durch das Bundesverwaltungsgericht bzw. Bundesgericht führt. In vorliegendem Fall würden ausgesuchte Spitäler und Kliniken nach Inkrafttreten der Tarifänderung am 1. August 2022 bestimmte Laborrechnungen nach altem Tarif ausstellen und deren Vergütung nach neuem Tarif als nicht sachgerecht vor Gericht anfechten. Das Gericht ist in diesem Fall ermächtigt, die inzidente Normenkontrolle durchzuführen, d.h. die Rechtmässigkeit des Erlasses zu prüfen.

Die Erfolgsaussichten eines solchen Verfahrens zu beziffern, ist naturgemäss schwierig. Sie liegen aber sicher höher als bei den vor einigen Jahren gegen die Tarmed-Eingriffe des Bundesrates geführten Prozesse. Damals konnte der Bundesrat immerhin geltend machen, dass er die subsidiäre Kompetenz aufgrund jahrelanger Tarifblockaden anwenden musste. Im Gegensatz dazu handelt der Bundesrat bei der Kürzung der Labortarife ohne jede äussere Veranlassung, geschweige denn Notwendigkeit, womit er das Verhältnismässigkeitsprinzip besonders schwer verletzt.

Bildung einer Unterstützungsgruppe
Die durch ein solches rechtliches Verfahren entstehenden Anwalts- und Verfahrenskosten werden auf insgesamt 100'000 bis 150'000 Franken geschätzt. Falls die Parteikosten der Gegenseiten und die Verfahrenskosten der gerichtlichen Instanzen übernommen werden müssten, müsste die Schätzung auf 150'000 bis 200'000 Franken erhöht werden. Ein Betrag für Rechtsfälle in dieser Höhe ist im Budget von H+ nicht vorgesehen und müsste über einen Nachtragskredit durch eine Urabstimmung genehmigt werden. Dies würde jedoch viel Zeit und zusätzliche Ressourcen kosten. In dieser Situation haben wir uns für ein Vorgehen entschieden, das für H+ neu und dementsprechend nicht erprobt ist: die Bildung einer Unterstützungsgruppe. Die H+ Mitglieder können sich dieser Unterstützungsgruppe mit einem Betrag von 2'500 Franken anschliessen. Die konsultierten Mitglieder der Verbandskonferenz von H+ haben dieses Vorgehen mehrheitlich gutgeheissen.

Betrag von 2'500 Franken und IBAN-Konto
Wir haben Rückmeldungen erhalten, die eine Abstufung des Beitrags, etwa nach der Grösse der Institution, wünschen. Die Höhe des Betrags erfordert jedoch aus Sicht von H+ keine Abstufung. Wenn man sich auf diese Logik einliesse, müssten zwangsläufig weitere Merkmale wie Betroffenheit, möglicher Nutzen usw. berücksichtigt werden. Der Betrag ist freiwillig. Wer ihn nicht zahlen will oder kann, dem sei’s unbenommen. Aber: ein erfolgreicher Musterprozess kommt allen H+ Mitgliedern zu Gute.

Die Einzahlung ist auf folgendes Konto zu tätigen:
IBAN Nr. CH15 0079 0016 2428 5716 1.

Vermerk: Unterstützungsgruppe «KVG-widrige Tarifkürzung»

Begünstigter:

H+ Die Spitäler der Schweiz
Lorrainestrasse 4a
3013 Bern

Oder direkt mit Einzahlungsschein.

Disclaimer auf ambulanten Rechnungen
Wir empfehlen, dass die H+ Mitglieder auf den ambulanten Rechnungen einen zusätzlichen Text im Bemerkungsfeld im Sinne eines Vorbehaltes anbringen. Hier ein Textvorschlag:
«Vorbehalten bleibt eine allfällige Mehrforderung für den Fall, dass sich die per 1. August 2022 erfolgte Änderung von Anhang 3 der Krankenpflege-Leistungs-verordnung (KLV), Analyseliste (AL), als unrechtmässig oder als nicht anwendbar erweisen sollte.»

Politische Bedeutung
Das Vorgehen von H+ hat nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine politische Bedeutung. So würde eine gerichtliche Klärung der Rechtslage nicht nur die Labortarife betreffen, sondern generell bei Tariffragen anzuwendende Grundsätze klarstellen und letztlich zu einer Stärkung rechtsstaatlicher Normen beitragen. Davon würden alle Mitglieder von H+ in hohem Masse profitieren.

Wir laden Sie ein, sich am Unterstützungsfonds zu beteiligen, und stehen für weitere Informationen und bei Fragen gerne zur Verfügung.

Kontakt