Aargauer Lösung «Ambulant vor Stationär» verstösst gegen Bundesrecht

Das Aargauer Verwaltungsgericht hat die Bestimmungen in der kantonalen Spitalverordnung über «Ambulant vor Stationär» als KVG-widrig bezeichnet und deshalb aufgehoben.

Mit Urteil vom 5. Dezember 2018 stellte das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau im Rahmen eines abstrakten Normenkontrollverfahrens fest, dass die vom Regierungsrat per 1. Januar 2018 in Kraft gesetzten Anpassungen der kantonalen Spitalverordnung betreffend die Aargauer «Ambulant vor Stationär»-Regelung dem KVG widersprechen.

Keine unmittelbare Präjudizwirkung auf andere Kantone
Nach Ansicht der von H+ angefragten Anwaltskanzlei VISCHER gilt das Urteil grundsätzlich nur für den Kanton Aargau, lässt sich jedoch auf andere Kantone übertragen, soweit ihre Listen und zugehörigen Umsetzungsregeln eine explizite Beschränkung bzw. eigene Umschreibung der kantonalen Leistungspflicht enthalten. In solchen Fällen sind mengenbeschränkende Regelungen KVG-widrig.«Die Aargauer Lösung unterscheidet sich von Modellen in anderen Kantonen dahingehend, dass das Aargauer Urteil für sie keine unmittelbare Präjudizwirkung hat. Die Modelle sind einzeln darauf zu prüfen, ob sie mit dem KVG vereinbar sind oder nicht,» stellt Michael Waldner von der Kanzlei VISCHER fest. Hierbei sei zu prüfen, «ob sie – wie das Aargauer Modell – eine unzulässige Umschreibung der kantonalen Leistungspflicht auf generell-abstrakter Ebene vornehmen, oder ob sie lediglich als Regelungen im Hinblick auf die Durchführung einer Wirtschaftlichkeitsprüfung im Einzelfall ausgestaltet sind.»
Das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) hat zusammen mit einer Ergänzung der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV) eine Negativliste mit Leistungen erlassen, die grundsätzlich den WZW-Kriterien nicht genügen. Nach Ansicht von Michael Waldner «besteht für die Kantone kein Raum für ergänzende Negativ- oder Ausschlusslisten, die bestimmte stationäre Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden über die KLV hinaus vom Pflichtleistungskatalog ausnehmen.» Die Kontrollinstrumente der Kantone beschränken sich ausschliesslich auf den konkreten Behandlungsfall.

Kantonaler Spielraum bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung im Einzelfall
Das Aargauer Gericht stellt nach Ansicht von Anwalt Waldner zu Recht fest, dass das KVG den Kantonen nicht verbiete, im Hinblick auf ihre Kostenbeteiligung den einzelnen Behandlungsfall einer Wirtschaftlichkeitskontrolle unterziehen. Die Modalitäten, nach denen die Kantone die Wirtschaftlichkeitskontrolle vornehmen dürfen, werden im KVG nicht weiter geregelt. Grundsätzlich ist nach Ansicht von Michael Waldner davon auszugehen, dass das KVG den Kantonen in Bezug auf die Durchführung der Wirtschaftlichkeitsprüfung denselben Spielraum belässt, den es auch den Krankenversicherungen gewährt.
Diese Kompetenz zur Durchführung einer Wirtschaftlichkeitsprüfung im Einzelfall eröffnet den Kantonen auch die Möglichkeit, gewisse Aufgreifkriterien zu definieren, bei deren Vorliegen bestimmte Behandlungen (Einzelfälle) retrospektiv auf das Vorliegen der Spitalbedürftigkeit überprüft werden. Als solche Aufgreifkriterien wären nach Ansicht von Michael Waldner auch die Definition von Schwellenwerten für den Anteil stationärer Leistungen nicht a priori unzulässig. Nach Ansicht der Kanzlei VISCHER können Spital und Kanton vorgängige Kostengutsprachen vertraglich vereinbaren oder der Kanton kann Empfehlungen für solche Verfahren herausgeben.

Im Sinne eines Zwischenfazits stellt die Kanzlei VISCHER fest, dass kantonale Regelungen, die lediglich auf die Modalitäten einer (insbesondere retrospektiven) Prüfung der Spitalbedürftigkeit in Einzelfällen gerichtet sind, nicht ohne Weiteres als KVG-widrig erscheinen. Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Aargau kann innerhalb von dreissig Tagen Rekurs eingelegt werden beim Bundesgericht.

VZK verzichtet auf Rekurse
Der Verband Zürcher Krankenhäuser (VZK) unterstützt die Zürcher Lösung mit der erweiterten Indikationenliste. Ob die kantonale Regelung mit der Liste «Ambulant vor Stationär» Bundesrecht verletzt, müssten die Gerichte klären. Die Regelung im Kanton Zürich bezeichnet der VZK als «administrativ schlank». Dafür haben sich der VZK und die Gesundheitsdirektion eingesetzt. Wird eine Person ausnahmsweise doch stationär behandelt, muss das jeweilige Spital keine vorgängige Kostengutsprache einholen. Die Einhaltung wird rückwirkend statistisch überprüft und es gibt Checklisten für begründete Ausnahmefälle.
Stossend sind aus VZK-Sicht die nicht kostendeckende Abgeltung ambulanter Leistungen über den Tarif TARMED. Da diese tarifarischen Missstände aber nicht so schnell behoben werden können, sieht der VZK davon ab, die Zürcher Liste anzufechten. «Denn die Verschiebung zu mehr ambulanten Behandlungen ist sinnvoll,» stellt der VZK fest.
 

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