Ambulant vor stationär: Klare Spielregeln für alle nötig

Der Bund setzt klare Leitplanken: Ob stationär oder ambulant behandelt wird, «ist grundsätzlich im Einzelfall zu entscheiden». Doch auch auf kantonaler Ebene braucht es einheitliche Vorgaben, insbesondere um ein föderalistisches Chaos und bürokratische Leerläufe zu verhindern.

Der Kanton Luzern ist vorgeprescht, gefolgt vom Kanton Zürich: Beide wollen verbindliche Listen mit Behandlungen und Untersuchungen erlassen, die künftig nur noch ambulant durchgeführt werden dürfen. Zudem, so im Luzerner Modell festgehalten, müssen Spitäler Eintritte am Vortag einer stationären Behandlung medizinisch begründen. Angekündigt wird die Massnahme, weil der Kanton Luzern «unnötige stationäre Behandlungen vermeiden will.» Positiver Nebeneffekt der Verschiebung von stationär zu ambulant sind willkommene Einsparungen für den Kanton. In seiner Medienmitteilung stellte der Kanton Luzern fest: «Dies entlastet auch die Steuerzahler des Kantons Luzern, da bei jedem stationären Spitalaufenthalt 55 Prozent der Kosten durch den Kanton bezahlt werden.» Gemäss den Berechnungen des Kantons Luzern wären im Jahr 2015 rund 800 Spitalaufenthalte von der Regelung betroffen gewesen. «Wären diese Eingriffe ambulant statt stationär erfolgt, hätte der Kanton mehrere Millionen Franken gespart», rechnete Gesundheitsdirektor Guido Graf vor. Die neuen Massnahmen will der Kanton Luzern auf Anfang Juli 2017 umsetzen.

Vorgaben von Bundesrat Berset: «Im Einzelfall zu entscheiden»
Bundesrat Alain Berset hat in einem Schreiben an H+ und die FMH klargestellt, welche Vorgaben erfüllt sein müssen beim Entscheid, ob eine Behandlung ambulant oder stationär durchgeführt wird. Der Gesundheitsminister hält dazu – gestützt auf das KVG und die obligatorischen Pflichtleistungen – als Grundsatz fest: «Ob die entsprechende Leistung stationär oder ambulant zu erbringen ist, ist grundsätzlich im Einzelfall gestützt auf die Kriterien der Wirksamkeit, der Zweckmässigkeit sowie der Wirtschaftlichkeit zu entscheiden.» Bei der Rechnungskontrolle haben Versicherer und Kantone jederzeit das Patientengeheimnis respektive das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu achten, hält Berset fest.

Kantonale Listen für nur noch ambulant durchzuführende Behandlungen können laut dem EDI-Vorsteher geeignet sein, «die Vorgaben zur Wirtschaftlichkeit im KVG umzusetzen und dienen auch der Rechtssicherheit und Transparenz.» Aber Kantone und Versicherer sollen «Vorkehrungen treffen, dass sich ihre Entscheide nicht widersprechen», betont Bundesrat Berset. Der Bund kündigt zudem an, die entsprechende KVG-Verordnung so anzupassen, dass bestimmte Eingriffe bezeichnet werden, die grundsätzlich ambulant durchgeführt werden sollen.

Föderalistischen Listen-Wirrwarr vermeiden
Wenn am Ende jeder Kanton unkoordiniert und im Sololauf solche Listen als verbindlich erklärt, droht ein föderalistisches Chaos. Dazu kommt die Frage, wie die Kantone mit ausserkantonalen Fällen umgehen wollen, also wenn ein Patient zum Beispiel aus dem Kanton Obwalden sich mit einer «Listen-Operation» in Luzern stationär behandeln will.
Für die Verschiebung von stationären Leistungen in den ambulanten Bereich müssen nach Ansicht von H+ darum klare Spieregeln gelten, die einheitlich angewandt werden müssen. So muss sowohl aus Optik der Patientinnen und Patienten als auch aufgrund medizinischer Kriterien die Behandlungsfreiheit gewährleistet sein. Ein 83-jähriger Patient mit Mehrfacherkrankungen muss für die gleiche Behandlung anders beurteilt werden als ein fitter 25-Jähriger.

Keine bürokratischen Leerläufe mit unnötigen Kostengutsprachen

Für die Spitäler und Kliniken sind deshalb korrekt umgesetzte Anreize auch für die Krankenkassen und für die kantonalen Gesundheitsbehörden wichtig. Dazu gehören auch sachgerecht ausgestaltete ambulante Tarifstrukturen mit betriebswirtschaftlich korrekt berechneten Abgeltungen. Keine Option sind bürokratische Lösungen und aufwändige Kostengutsprache-Verfahren, die weder den Patienten dienen noch die Qualität verbessern, sondern nur unnötige Kosten verursachen. Es wäre ein bürokratischer Leerlauf sondergleichen, wenn für eine sogenannte «Listen-Operation», die im gegenseitigen Einverständnis zwischen Patient und Leistungserbringer ambulant statt stationär durchgeführt wird, vom Kanton noch ein Kostengutsprache-Verfahren verlangt würde, welches der Versicherer respektive der Vertrauensarzt begutachten und dann noch administrativ mit einer unnötigen Kostengutsprache absegnen müsste.

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