Hochspezialisierte Medizin: Rechtliches Gehör verletzt durch Beschlussorgan
Das Bundesverwaltungsgericht hat in zwei weiteren Grundsatzurteilen zur hochspezialisierten Medizin festgestellt, dass das zuständige Beschlussorgan das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerinnen verletzt hat. Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Entscheide über die Zuordnung zur HSM für die Bereiche Neugeborenen-Intensivpflege und Rückenmarktumore sind zu überprüfen.
Mit zwei weiteren Grundsatzentscheiden hat das Bundesverwaltungsgericht (BVG) Entscheide des Beschlussorgans zur hochspezialisierten Medizin (HSM) aufgehoben. Wie beim Urteil über die Behandlung von schweren Verbrennungen beurteilt das BVG auch bei der Neugeborenen-Intensivpflege und bei den Rückenmarktumoren, dass der angefochtene Beschluss «nicht in einem bundesrechtskonform ausgestalteten Verfahren zustande gekommen ist». Auch diese Entscheide des HSM Beschlussorgans werden darum aufgehoben. Das BVG verlangt explizit, dass vor der Zuteilung mit einer Spitalliste eine rechtskräftige Definition des HSM-Bereiches (Zuordnung) nötig ist.
Neugeborenen-Intensivpflege
Ein Zentrumsspital für die Neugeborenen-Intensivpflege bemängelte als Beschwerdeführerin insbesondere, dass die Abgrenzung zwischen der hochspezialisierten und der spezialisierten Medizin «nicht sachgerecht» sei.
Von den Zuweisungskriterien würden nach Ansicht des Zentrumsspitals bei der Neugeborenen-Intensivpflege Fälle erfasst, welche nicht den Kriterien der HSM entsprächen. Diese Anträge der Beschwerdeführerin hat das HSM Beschlussorgan ohne Begründung nicht berücksichtigt, stellt das BVG fest: «Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich das HSM Beschlussorgan im erforderlichen Mass mit den Vorbringen der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt hat.» Die Begründungspflicht ist laut BVG Teilgehalt des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Durch die fehlende Begründung habe das HSM Beschlussorgan den Gehörsanspruch der Beschwerdeführerin verletzt.
Rückenmarkstumore
Beim Urteil über die seltenen Rückenmarkstumore stellt das BVG ebenfalls fest, «dass das HSM Beschlussgremium den Anspruch auf rechtliches Gehör der Beschwerdeführerin verletzt hat». Das BVG hiess deshalb die Beschwerde der Hirslanden Klinik AG «als nicht berücksichtigte Leistungserbringerin» teilweise gut. Dem HSM Beschlussorgan wirft das BVG ferner «eine klare Verletzung der Begründungspflicht» vor. Das gesamte Verfahren muss nun neu überprüft werden, soweit der Hirslanden AG kein Leistungsauftrag zugeteilt wurde.
Alle Interessierten müssen sich bewerben können
Nach Ansicht des BVG muss beim Zuteilungsentscheid der Grundsatz der allgemeinen Rechtsgleichheit beachtet werden, das heisst die Leistungserbringer und ihre Angebote müssen «nach sachgerechten Kriterien ausgewählt» werden. Das BVG hält dazu fest: «Um eine willkürfreie, transparente und sachgerechte Auswahl zu gewährleisten, muss ein interessierter Leistungserbringer im Laufe des Zuteilungsverfahrens Gelegenheit erhalten, sich um die Zuteilung eines Leistungsauftrages zu bewerben und damit gehört zu werden.» Das angefochtene Verfahren sah hingegen kein Bewerbungsverfahren vor.
Bedarfsanalyse, Wirtschaftlichkeit und Qualität
Die rechtsgültige Definition des HSM-Bereiches und damit die Festlegung der Zuständigkeit des HSM Beschlussorgans ist laut BVG «eine unabdingbare Voraussetzung dafür, dass die Planung für eine bedarfsgerechte Spitalversorgung vorgenommen werden kann». Die Versorgungsplanung setze ihrerseits eine Bedarfsanalyse voraus. Bei der Beurteilung und Auswahl des auf der Liste zu sichernden Angebotes müssen laut BVG «die Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungserbringung, der Zugang der Patientinnen und Patienten zur Behandlung innert nützlicher Frist sowie die Bereitschaft und Fähigkeit zur Erfüllung des Leistungsauftrages berücksichtigt werden». Bei der Prüfung von Wirtschaftlichkeit und Qualität sind laut BVG insbesondere die Effizienz der Leistungserbringung, der Nachweis der notwendigen Qualität, die Mindestzahlen und die Nutzung von Synergien zu beachten.