Patientendaten: Aufbewahren und dann?

Ein Spital benötigt die Krankengeschichte eines Patienten nicht mehr. Was geschieht dann? Mit dieser Frage gelangten diverse Spitäler und Kliniken an H+. Die Geschäftsstelle hat eine Übersicht der aktuellen Rechtslage zusammengestellt.

Was tun, wenn Patientendaten nicht mehr benötigt werden? Die Spitäler der Schweiz sind gesetzlich verpflichtet, Patientendaten während mindestens zehn Jahren nach Dossierschluss bei sich aufzubewahren. Aufzeichnungen zu medizinischen Implantaten sind 15 Jahre, solche zu Blut, Blutprodukten und Organtransplantaten sogar 20 Jahre aufzubewahren. Geht es um langfristige Sozialversicherungsleistungen, also Leistungen der Invaliditäts-, Unfall- oder Militärversicherung, empfiehlt sich eine Aufbewahrung der Krankengeschichte über die gesetzliche Frist hinaus. Typisches Beispiel hierfür sind Geburtsgebrechen.

Wie aber sollen Spitäler und Kliniken mit nicht mehr benötigten Patientendaten nach Ablauf der Aufbewahrungspflicht umgehen? Vernichten oder archivieren? Die Antwort ist nicht einfach und verlangt eine sorgfältige Abwägung der rechtlichen Grundlagen.

Kantonaler Flickenteppich
Heute gibt es keine schweizweit gültigen Normen zur Archivierung von Patientendaten, die Regelungen sind kantonal unterschiedlich. Verschiedene Kantone schreiben ihren öffentlichen Spitälern vor, Krankengeschichten nach Ablauf der spitalinternen Aufbewahrungsfrist dem kantonalen Archiv zur Archivierung anzubieten. Andererseits sind Spitäler aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht verpflichtet, die ihnen anvertrauten Patientendaten geheim zu halten. Patientinnen und Patienten haben das verfassungsmässige Recht, über ihre Daten selbst zu bestimmen.

Rechtsgutachten bringt Licht ins Dunkel
Das Dilemma lässt sich allenfalls dadurch auflösen, dass Ärztinnen und Ärzte sowie ihre Hilfspersonen vorab von ihrer Schweigepflicht entbunden werden. Dafür braucht es eine eigene Gesetzesnorm, die sich explizit an sie richtet. Zu diesem Schluss kommt ein Rechtsgutachten des Bundesamtes für Justiz vom 30. Juni 2010.

Da ein solches Gesetz das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung einschränkt, ist gemäss dem amtlichen Gutachten sorgfältig zu prüfen, inwieweit die Archivierung von Patientendossiers durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt und verhältnismässig ist. Das Bedürfnis nach Transparenz staatlichen Handelns entspricht einem solchen. Beispielsweise dürfte es nicht nur Personen in medizinischen Berufen interessieren, wie der Staat in der Frage der Zwangssterilisierung vorgegangen ist.

Lange Schutzfristen
Auch das kantonale Archiv hat eine Schutzfrist für die ihm anvertrauten Krankengeschichten zu beachten. Diese kann bis zu 120 Jahren betragen. Je länger die Schutzfrist, desto eher ist gewährleistet, dass das Dossier zu Lebzeiten der Patientin bzw. des Patienten unter Verschluss liegt. Festzuhalten bleibt, dass das Archiv nur einen kleinen Teil, nämlich höchstens zehn Prozent der Dossiers effektiv archiviert. Die übrigen werden vernichtet.

Patientengeheimnis geht vor
Trotzdem besteht ein Normenkonflikt, denn das Patientengeheimnis ist ein sehr hohes Rechtsgut. Die Weitergabe von nicht-anonymisierten Daten ohne Einwilligung des oder der Betroffenen ist grundsätzlich strafbar, auch wenn sie zum Zweck der Archivierung erfolgt. Die Spitäler sind gut beraten, abzuklären, ob in ihrem Kanton eine ausreichende gesetzliche Grundlage besteht, die Ärzte und ihre Hilfspersonen von ihrer Schweigepflicht entbindet.

Die relativ prekäre Rechtslage veranlasst manch öffentliches Spital, dem kantonalen Archiv vorläufig keine nicht-anonymisierten Patientendaten anzubieten. Verschiedene Kantone revidieren derzeit basierend auf dem erwähnten eidgenössischen Rechtsgutachtens ihre Gesetze.