Referenztarife und Kostengutsprachen: kantonaler Wildwuchs

Erste Erfahrungen mit der neuen Spitalfinanzierung zeigen, dass die Umsetzung der kantonalen Kostenbeteiligung bei ausserkantonalen Behandlungen bei den Spitälern und Kliniken Probleme verursacht. H+ hat im April beim Bundesamt für Gesundheit BAG und bei der Gesundheitsdirektorenkonferenz GDK interveniert. Die Antworten stehen aus.

Das Krankenversicherungsgesetz (Art. 41) sieht vor, dass die Versicherten für stationäre Behandlungen seit 1. Januar 2012 frei aus allen Spitälern in der ganzen Schweiz wählen können, die auf der Spitalliste des jeweiligen Standortkantons aufgeführt sind. Einzige Einschränkung ist, dass der Wohnkanton des Patienten bei medizinisch nicht begründeten Fällen nicht mehr zahlen muss, als er für dieselbe Behandlung in einem Spital auf seiner eigenen Spitalliste zahlen würde.

Was bedeutet dies konkret für die Umsetzung?

  1. Für ausserkantonale Behandlungen braucht es keine Kostengutsprache des Wohnkantons (Art. 41 Abs. 1bis).
  2. Der Wohnkanton muss die Behandlungen in einem ausserkantonalen Spital immer mitfinanzieren (Art. 41 Abs. 1bis).
  3. Nur wenn der Tarif des leistungserbringenden Spitals höher ist, als die Tarife der Spitäler auf der Spitalliste des Wohnkantons, braucht es eine Bewilligung, damit der Wohnkanton diese Differenz übernimmt (Art. 41 Abs. 3).


Kantone handhaben Umsetzung völlig unterschiedlich
Die Kantone setzen die neue Gesetzesbestimmung nun völlig unterschiedlich um, wobei einige Kantone Forderungen stellen, die dem KVG klar widersprechen.
Konkret gibt es Kantone, die weiterhin für alle ausserkantonale Behandlungen Kostengutsprachen verlangen und solche, die tiefere «Referenztarife» für ausserkantonale Behandlungen festgelegt haben, als die Tarife die für die Spitäler der eigenen Spitalliste definiert sind.

Aus Sicht von H+ sind diese Praktiken rechtswidrig. Die Geschäftsstelle H+ hat deshalb beim BAG und bei der GDK im April schriftlich interveniert. Die Antworten zum Schreiben von H+ stehen noch aus.

Position von H+
Die Position von H+ lässt sich in drei Punkten zusammenfassen:

  1. Die Kantone müssen für ausserkantonale Behandlungen in jedem Fall bis zu jenem Tarif mitzahlen, der für das teuerste eigene Listenspital auch bezahlt würde. Dass der höchste Tarif des Wohnkantons gilt, lässt sich aus Aussagen in der parlamentarischen Diskussion herauslesen:

    Schwaller Urs, CVP im Ständerat am 24. September 2007:
    «… Mit der Bedingung nun, dass die Wahl nur aus den auf der Liste des Wohn- und Arbeitsortes aufgeführten Spitälern stattfinden kann, wie ebenfalls mit der Einschränkung, dass der Wohnkanton ausser bei Notfällen und medizinischer Notwendigkeit höchstens den Kantonsanteil zu bezahlen hat, der auch im teuersten Listenspital dieses Kantons anfallen würde, haben wir in der Kommission mit dem Antrag der Kommissionsmehrheit genug Bremsen zugunsten unserer Kantone eingebaut. …»

    Humbel Ruth, CVP im Nationalrat als Kommissionssprecherin am 4. Dezember 2007:
    «Der Ständerat relativiert die Wahlfreiheit insofern, als die Unkosten des Patienten nur bis zum Betrag, der im eigenen Kanton anfallen würde, gedeckt sein sollen. …»

  2. Eine Kostengutsprache des Kantons erübrigt sich in jedem Fall. Ein ausserkantonales Spital muss nur abklären, ob der Kanton auch die Differenz mitbezahlt, wenn sein eigener Tarif höher ist, als der teuerste Tarif im Wohnkanton des Patienten. Der Wohnkanton kann keine generelle Kostengutsprache verlangen und keine Zahlung generell verweigern.

  3. Eine individuelle Rechnungskontrolle der Kantone zusätzlich zu jener bei den Krankenversicherern ist gesetzlich nicht vorgesehen. H+ empfiehlt den Spitälern und Kliniken, den Kantonen ihre Abrechnungen im gleichen Format zu schicken, wie diese auch an die Krankenversicherer gehen, d.h. aktuell gemäss Standard XML 4.3. Die unterschiedlichen Formate, die von verschiedenen Kantonen gefordert werden, führen zu unsinniger Bürokratie und Mehrkosten in den Spitälern.

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