1. DRG Forum CH - D: «Ein Zurück diskutiert in Deutschland kein Mensch»
Im Rahmen eines hochkarätigen DRG-Austauschs zwischen der Schweiz und Deutschland stellten die Nachbarn mit mehrjähriger Fallpauschalen-Erfahrung fest: Trotz allen Problemen will niemand in Deutschland mehr zurück zum alten System.
Einen Monat nach der flächendeckenden Einführung von SwissDRG bot sich am 1. DRG-Forum Schweiz – Deutschland die Gelegenheit, erste Erfahrungen aus der schweizerischen Einführungsphase mit der langjährigen Praxis in Deutschland zu vergleichen. H+ war mit der santésuisse, der FMH und den kantonalen Ärztegesellschaften in der Trägerschaft der Veranstaltung vom 2./3. Februar 2012 in Bern. H+ fasst die wichtigsten Erkenntnisse zusammen:
«Gewissheit, dass es funktioniert»
Die Forderungen nach einem DRG-Moratorium sind in der Schweiz erfolglos geblieben und der Start erfolgte trotz politischer Störmanöver wie geplant am 1. Januar 2012. An die Adresse von Skeptikern, die das Rad der Geschichte zurückdrehen möchten, stellte Prof. Herbert Rebscher, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Angestellten-Krankenkassen DAK Gesundheit, in seinem Einführungsreferat fest: «Die Schweiz kann die Gewissheit haben, dass das System funktioniert. Ein Zurück diskutiert in Deutschland kein Mensch». Mahnend hielt Rebscher hingegen fest, dass die Schweiz unter dem Stichwort «Helvetisierung» das Rad auch nicht überdrehen dürfe. Der Fallpauschalen-Experte warnte davor, DRGs als Kostensenkungsinstrument zu verstehen. Es gehe darum, von der Leistung zum Entgelt zu kommen. Deshalb sei Leistungsgerechtigkeit das Ziel. Rebscher wies ebenfalls auf die Unterschiede zur Startphase in Deutschland hin: «Die Schweiz steht zudem vor einer anderen Ausgangslage, weil das Land im Gegensatz zur damaligen deutschen Situation bei der Einführung von eigenen und europäischen Erfahrungen profitieren kann.»
Befürchtungen nicht eingetreten
Georg Baum, Haupt-Geschäftsführer der Deutschen Krankenhaus-Gesellschaft, hielt fest, dass jene Befürchtungen, welche DRG-Systemen nachgesagt werden, weder in Deutschland noch in der Schweiz zurzeit absehbar seien: «Für Deutschland kommen alle bisherigen Beobachtungen und Analysen zum Ergebnis, dass die Qualität der Medizin durch das DRG-System gefördert und verbessert worden ist». Die Negativ-Szenarien mit blutigen Entlassungen, Drehtüreffekten, willkürlicher Fallproduktionen oder Ausdünnungen von Leistungssegmenten seien statistisch nicht beobachtbar gewesen.
Zusatzentgelt-System aus Deutschland übernehmen
Dr. Werner Kübler, Direktor des Universitätsspitals Basel und Vizepräsident von H+, wies darauf hin, dass die statistische Güte des SwissDRG-Systems – wie zu erwarten gewesen sei – nicht dem deutschen System entspreche. Dies sei leider bei den Benchmarks in den Tarifverhandlungen mit den Krankenversicherern ungenügend berücksichtigt worden. Kübler forderte, das Zusatzentgelt-System aus Deutschland rasch zu übernehmen. Gegebenenfalls benötige die Schweiz wegen ihrer «statistischen Kleinheit» sogar einige Zusatzentgelte mehr als Deutschland. Es spreche im Übrigen Vieles für eine stärkere Anbindung des schweizerischen Systems an das Deutsche, denn das Handling von Differenzierungs- und Innovations-Entgelten durch die SwissDRG AG sei mengenmässig wegen der beschränkten, statistischen Aussagekraft und Systementwicklung kaum realistisch.
Schicksalsgemeinschaft
Andreas Faller, Leiter des Direktionsbereichs Kranken- und Unfallversicherung im BAG, schilderte die «begleitende Rolle» des Bundes und wies drohend auf die Folgen bei einem Scheitern hin: «Erfolgt keine Effizienzsteigerung und wird die Umsetzung des Sparpotenzials nicht angestrebt, dann werden Rationierungsmassnahmen nicht mehr zu vermeiden sein.» Die Akteure im schweizerischen Gesundheitswesen bilden laut Faller somit eine Schicksalsgemeinschaft, «die nur durch ein wenigstens teilweises Verlassen der Partikularinteressen zu Gunsten der Systementwicklung Erfolg haben kann».