Heftige Kritik an BAG-Kreisschreiben zum Datenschutz

Ein Kreisschreiben des BAG an die Versicherer zum Thema Datenschutz löste heftige Reaktionen aus. Die Vereinigung der Schweizerischen Datenschutzbeauftragten «privatim» reagierte öffentlich mit einem Protestbrief an den Bundesrat.

Am 25. August 2011 kündigte Bundesrat Didier Burkhalter in einer Medienmitteilung an, dass Bund und Kantone sich darauf geeinigt haben, die Einführungsmodalitäten zu SwissDRG einheitlich in einer Verordnung des Bundesrates zu regeln. Die Verordnung solle auch die Weitergabe der medizinischen Daten regeln, liess EDI-Vorsteher Burkhalter verlauten.

Am gleichen Tag und ohne Information der Tarifpartner und der Öffentlichkeit verschickte das BAG ein Kreisschreiben zum Thema Datenschutz und Rechnungsstellung an die Versicherer und setzte es umgehend auf den 1. September 2011 in Kraft. Ein Kreisschreiben gilt als verbindliche administrative Weisung an die Adressaten.

Berufsgeheimnis aufgehoben und Rechnungen nicht zahlen
Unter dem Titel «Datenschutzkonforme Organisation und Prozesse der Krankenversicherer» geht das BAG auf die Rechnungsstellung der Spitäler unter SwissDRG ein. Das Kreisschreiben stellt fest, dass die Krankenversicherer «diagnosebezogene Daten» benötigen, d.h. Haupt- und Nebendiagnosen und Prozeduren. Das BAG verkündet ferner, dass der Leistungserbringer «im Verhältnis zum Krankenversicherer von seinem Berufsgeheimnis befreit wird», gestützt auf Artikel 42 und 57 KVG. Im letzten Satz des Abschnitts zur Rechnungsstellung stellt das BAG dann abschliessend fest: «Die Krankenversicherer sind deshalb berechtigt, eine substanziierte Rechnungsstellung im Sinne dieser Ausführungen zu verlangen und bis zu deren Erhalt keine Zahlung zu leisten.»

«Gelinde Irritation» der kantonalen Datenschützer
Die Vereinigung der Schweizerischen Datenschutzbeauftragten «privatim» reagierte am 9. September 2011 mit einem Brief an Bundesrat Didier Burkhalter und veröffentlichte das Protest-Schreiben. «Wir erlauben uns höflich, unserer gelinden Irritation über das Kreisschreiben des BAG Ausdruck zu verleihen und unsere Erwartungen an die ersatzweise Regelung durch eine Verordnung zu formulieren,» stellt privatim-Präsident Bruno Baeriswyl einleitend fest. Das Kreisschreiben verlange «die systematische Übermittlung von medizinischen Daten für die Fallkostenpauschalen» und fordere die Versicherer sogar auf, ohne substantiierte Rechnungsstellung keine Zahlungen zu leisten. «Damit werden sowohl die Bestimmungen des KVG verletzt als auch ein unzulässiges Präjudiz für eine Regelung des Datentransfers auf Verordnungsebene geschaffen,» stellt privatim fest.

«Keine systematische Übermittlung medizinischer Daten»
Die kantonalen Datenschützer betonen, dass eine systematische Weitergabe detaillierter Angaben zu Diagnosen und Behandlungen mit jeder Rechnungsstellung «unverhältnismässig und damit rechtswidrig» sei. Aber genau dies verlange das Kreisschreiben des BAG. Darum müsse dieses durch eine gesetzeskonforme Verordnung des Bundes ersetzt werden. Die Vereinigung privatim zeigt aber auch einen Ausweg und einen Lösungsansatz auf: «Um den Grundrechtsschutz und das Patientengeheimnis zu wahren, wäre es viel effektiver, endlich eine wirksame Kodierrevision vorzusehen. Dadurch könnte mit pseudonymisierten Daten, also ohne Verletzung des Patientengeheimnisses, die Korrektheit der Codierung durch die Leistungserbringer kontrolliert werden.»

Spitäler wahren weiterhin das Arztgeheimnis
H+ hat gegenüber den Medien klar reagiert: «Für die Spitäler und Kliniken als Leistungserbringer ist ein Kreisschreiben an die Versicherer bedeutungslos. Die Spitäler werden das Arzt- und Patientengeheimnis weiter vollumfänglich wahren.» Die Spitäler würden sich an die geltenden Tarifverträge mit den Versicherern halten und die darin festgelegten Rahmenbestimmungen für die Lieferung der Rechnungsdaten befolgen. Bei begründeten Anfragen der Versicherer werden weiterhin Diagnosen und Prozeduren an den Vertrauensarzt übermittelt.
H+ hat dem BAG Anfang September 2011 auch die Haltung zu der in Aussicht gestellten Verordnung zu den Einführungsmodalitäten Swiss DRG schriftlich übermittelt: «Keine systematische Lieferung von medizinischen Daten mit der Rechnungsstellung an die Versicherer. Bei begründeten Anfragen stellt das Spital dem Vertrauensarzt gemäss KVG das erweiterte Rechnungsdatenset zu.»