SwissDRG: Datenschutz und Arztgeheimnis in Spitälern

Am 25.2.2011 haben drei kantonale Datenschützer in Bern eine Medienkonferenz abgehalten. Thema war der Schutz besonders schützenswerter Daten unter SwissDRG. H+ druckt das publizierte Grundsatzdokument der schweizerischen Datenschützer auszugsweise ab und vermittelt den Link zum gesamten, praxisorientierten, Dokument.

«Das System der Abrechnung von Leistungen von Spitälern mittels Fallkostenpauschalen(SwissDRG), das auf 2012 eingeführt wird, hat zur Folge, dass die Krankenversicherer künftig weniger medizinische Informationen über die Patientinnen und Patienten benötigen. Da mittels Fallpauschalen abgerechnet wird, ist für die Rechnungsstellung der Spitäler an die Krankenversicherer keine systematische Weitergabe von detaillierten Diagnosen und Prozeduren erforderlich. Die Frage, ob die Fälle den Fallgruppen korrekt zugewiesen werden, wird im Rahmen einer Kodierrevision überprüft. Für die Kodierrevision ist kein Personenbezug der Daten nötig; sie kann mit anonymisierten oder pseudonymisierten Daten erfolgen.

Die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit von Leistungen im Einzelfall ist weiterhin möglich. Auf begründeten Anlass hin können die Versicherer im Einzelfall beim Spital zusätzliche Informationen einfordern, um unklare Rechnungen bzw. Leistungen zu überprüfen. Möglich ist auch eine Überprüfung anhand von Stichproben. Die Versicherer erhalten vom Spital detaillierte Diagnosen und Prozeduren von den Fällen der ausgewählten Stichprobe.
Der vertrauensärztliche Dienst des Krankenversicherers ist einzubeziehen, wenn die Patientin oder der Patient dies ausdrücklich verlangt oder wenn das Spital dies auf begründeten Anlass hin für erforderlich hält. Die Spitäler haben die Pflicht, die Patientinnen und Patienten zu informieren, wie mit ihren medizinischen Daten umgegangen wird, und dass sie das Recht haben, die Weitergabe von medizinischen Daten an den vertrauensärztlichen Dienst des Versicherers zu verlangen.
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Der einzelne Tarifvertrag ist durch die jeweilige Kantonsregierung (bzw. wenn er schweizweit gilt, durch den Bundesrat) zu genehmigen.
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Das Bundesverwaltungsgericht hat am 29. Mai 2009 ein Urteil betreffend Weitergabe von Diagnosen und Eingriffscodes von Spitälern an Krankenversicherungen gefällt. (…) Das Urteil bezieht sich jedoch auf das System vor Einführung der Fallpauschalen und kann deshalb nicht direkt auf das neue Abrechnungssystem übertragen werden.
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Sowohl das Gerichtsurteil als auch der Tarifstrukturvertrag ergingen vor dem 1. Oktober 2010. Für die künftige Regelung ist dem Willen des Gesetzgebers Beachtung zu schenken, der die systematische Weitergabe von detaillierten Diagnosen und Eingriffscodes ausdrücklich verworfen hat.

Kodierrevision
Die Kodierrevision ist die zwischen den Spitälern und Versicherern vereinbarte jährliche Überprüfung der Kodierqualität des Spitals. Externe Kodierer überprüfen aus einer Stichprobe (repräsentative Auswahl der Spitalfälle) und anhand der medizinischen Akten, ob sie auf dieselben Codierungen und dadurch auf den selben DRG wie die spitalinterne Codierung kommen. Die Kodierrevision dient dem Zweck, statistisch relevant zu beweisen, ob systematische Fehler in der Codierung des Spitals gemacht wurden oder nicht.

Die Auswertung selbst, d.h. die Kodierrevision, kann anonymisiert erfolgen; die Daten sind deshalb grundsätzlich in anonymisierter (oder allenfalls pseudonymisierter) Form der Kodierrevision zuzuführen. Die Kodierrevision dient nicht der Rechnungskontrolle oder primär der Kontrolle des DRG-Verfahrens. Laut Kodierreglement von SwissDRG dient die Kodierrevision nebst der Kontrollaufgabe der Weiterentwicklung des Kodiersystems.

Rechnungsprüfung
Die Krankenversicherer sind verpflichtet, die Leistungen der Spitäler auf Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit zu prüfen. Die Versicherer stellten sich unter dem bisherigen System auf den Standpunkt, dass sie für diese Prüfung detaillierte medizinische Angaben (Diagnosen nach der internationalen Statistikklassifikation ICD-10, Eingriffscodes nach der Operationsklassifizierung CHOP) benötigen, die automatisch mit jeder Rechnungsstellung mitzuliefern seien.

Nun ändert das System, und dies hat auch Auswirkungen auf das System der Rechnungsprüfung: Die Versicherer vergüten künftig pauschal gemäss DRG-Kodierung. Für die Rechnungsstellung sind nicht mehr die einzelnen Leistungen massgebend, sondern die Zugehörigkeit zur entsprechenden Fallpauschale nach SwissDRG. Die Pauschale ist gerade unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit festgelegt worden. Eine einzelfallbezogene Wirtschaftlichkeitsprüfung entfällt damit im Standardfall.
Trotz der grundlegenden Systemänderung wollen die Krankenversicherer auch in Zukunft bei einzelnen Rechnungen die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung prüfen.
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Spezialfall «Upcoding»
Verschiedene Beteiligte stellen sich auf den Standpunkt, dass die Gefahr besteht, dass die Spitäler (ohne Betrugsabsichten) Lücken im System der DRG ausnützen, um möglichst hohe Fallpauschalen zu erzielen (sogenanntes «Upcoding»). Hierzu ist zu berücksichtigen, dass zur Anpassung des Systems die Kodierrevision dient. Die Möglichkeit, dass Spitäler allenfalls solche Lücken ausnützen könnten, rechtfertigt nicht, dass systematisch detaillierte medizinische Angaben aller Versicherten an die Krankenversicherer weitergegeben werden. Die Erfahrungen in Deutschland, wo das System der DRG bereits seit einigen Jahren existiert, zeigen, dass die Gefahr des «Upcoding» nur scheinbar existiert und in der Praxis kaum vorkommt. Sollte es sich als notwendig erweisen, einen Schutzmechanismus gegen das so genannte «Upcoding» im System einzubauen, so ist dieser Mechanismus in das Instrument der Kodierrevision zu integrieren anstatt dazu einparalleles Kontrollsystem bei den Krankenversicherern aufzubauen.»
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Kontakt

Links

<link http: www.privatim.ch privatim_swissdrg_2011_v1_d.pdf _blank external-link-new-window>privatim – die schweizerischen datenschutzbeauftragten: SwissDRG – Datenschutz und Arztgeheimnis in Spitälern, 25.2.2011